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| Kain und Abel zu Beginn des Oratoriums | Foto © Alexander Hildebrand |

Opernfan.de berichtet hier von der  Aufführung "Il Primo Omicidio" in der Berliner Staatsoper unter den Linden...

Opernfan.de berichtet hier von der  Aufführung "Il Primo Omicidio" in der Berliner Staatsoper unter den Linden...

 

Der erste Mord in der Geschichte der Menschheit ist kein schönes Thema. Die geplante Grausamkeit, ein Racheakt, ausgelöst durch Neidgefühle, ist aber zu Beginn der Oper schnell vergessen. Hier überwiegt erst mal die Ästhetik und sogar die Sympathie zu den Hauptfiguren. Wir sehen: Adam, Eva, Kain und Abel, eine liebevolle, gottestreue Familie. Nur zwischen den Brüdern klappt es nicht so ganz. Kain erschlägt seinen Bruder Abel und begeht damit den ersten Mord in der Geschichte der Menschheit - der erste Mord, auf Italienisch „Il Primo Omicidio“.

Das Stück, das bereits in dieser Inszenierung zwölf Mal in Paris zu sehen war, wurde für die zweiten „Barocktage“ an die Staatsoper Berlin geholt. Es ist eigentlich ein Oratorium von Alessandro Scarlatti. Der Sizilianer, der 1660 in Palermo zur Welt kam und 1725 in Neapel starb, bevorzugte für seine Oratorien stets Stoffe aus dem Alten Testament. Hier geht es also um Adam und Eva und ihre streitenden Söhne.

Romeo Castellucci ist ein international anerkannter Tausendsassa. So zeichnet er gleich für Bühne, Kostüme, Licht und Regie verantwortlich und ums kurz zu machen: Die Inszenierung ist ein ästhetisch rundum gelungenes Ereignis.

Zur optischen Verstärkung der Emotionen der Figuren auf der vorderen Bühne hat Romeo Castelluci für den hinteren Teil der Bühne anfangs einen in wechselnden Farben erzeugten „Pastellraum“ erfunden. Geht es um den Himmel, sind die Farben hellorange, verschiedene Ängste werden eisblau dargestellt und die Erschaffung Adams wird als überdimensionales, aufblasbares Ballon-Männchen gezeigt. Wer die Farbfeldmalerei von Mark Rothko mag, ist auch von diesem Bühnenbild begeistert. Einschränkend muss gesagt werden, dass die ganze gestalterische Perfektion des Bühnenbildes wohl nur von den mittigen Plätzen aus zu sehen ist. Von der Seite ist die Licht-Wirkung weniger stark.

Im 2. Teil, der rasch die Mordszene bringt, ist eine Wiese im Mondschein zu sehen. Hier gelingt Castellucci ein besonderer Kunstgriff, der in der besuchten letzten Vorstellung der Serie am 17. November 2019 beim Publikum sehr gut ankam, sogar für Heiterkeit sorgte. Die Hauptfiguren sind jetzt durch Kinder dargestellt und die Hauptfiguren des Oratoriums stehen singend im Graben. Besonders nett: Die Kinder spielen mit großem Talent und bewegen dabei die Lippen, als kämen die Gesangsstimmen von Ihnen. Diese Abstraktion und Überführung der Handlung ins Künstliche lässt nun viel Platz für Interpretation. Wir meinen, dass dadurch gerade gezeigt werden soll, wie ursprünglich und archaisch, also schon in der Kindheit angelegt, die beherrschenden Gefühle wie Neid und Rachsucht sein können.

Toll, dass die Sänger stets sehr weit vorne stehen, wodurch sich der Klang des barocken Gesangsstils besonders schön entfalten kann. Nichts geht durch zu große Entfernungen verloren. Obwohl alle Hauptfiguren mit Sängerinnen und Sängern besetzt sind, die auch im post-barocken Repertoire Zuhauze sind, gelingt es besonders der Viererkonstallation Adam, Eva, Kain und Abel, ihre Tongebung schlank und die Vibrato-Ausschmückungen klein zu halten. Wer sonst Wagner, Verdi und Puccini mag, könnte das befremdlich finden, aber die großen Gefühle der Figuren wie Angst, Erfurcht und Neid werden nun gerade durch die glattgezogenen Töne besonders eindrücklich zum raumfüllenden Klangerlebnis. Die optimierte, transparente Akustik der Staatsoper tut hier noch ihr Übriges und trägt auch die kleinsten Nuancen der Gesangs-Gestaltung bis in die Ränge.

Zum ersten Mal ist das belgische Originalklang-Ensemble B’Rock Orchestra an der Staatsoper unter den Linden zu Gast. René Jacobs führt mit großem Feingefühl durch das abwechslungsreiche Oratorium. Zuverlässig bringt er den betörenden Gesang von der Bühne mit dem schörkellosen, wendigen Klang des Barock-Ensembles zusammen. Eine schöne Tradition, dass René Jacobs schon seine 27. Neuproduktion unter den Linden leitet.

Ob nochmals der Aufwand betrieben wird, „Il Primo Omicidio“ an der Staatsoper Berlin zu zeigen? Die Inszenierung wird nach Paris und Berlin vermutlich erst mal an das Teatro Massimo in Palermo umziehen, also in die Geburtssstadt von Alessandro Scarlatti. Sicherlich würde das Stück aber sogar nach fünf gut besuchten Vorstellungen in der laufenden Spielzeit auch in Berlin in ein paar Jahren nochmals sein Publikum finden. Das barocke Oratorium hätte es in dieser Inszenierung und mit den gehörten Musikerinnen und Musikern mehr als verdient.

Die Besetzungsliste entnehmen Sie bitte unserem Beitrag mit den exklusiven Fotos für Opernfans (Klick auf diese Zeile führt zu den Fotos).

Website mit der Möglichkeit, Karten für die Staatsoper zu bestellen: www.staatsoper-berlin.de

Das Opernhaus Staatsoper Berlin hat die Adresse Unter den Linden 7 in 10117 Berlin.  
Am bequemsten erreichen Opernfans die Staatsoper mit der S-Bahn (S+U Friedrichstraße) oder mit der U2 (Hausvogteiplatz oder Stadtmitte). Die Busse der Linien 100 und 200 halten direkt vor dem Opernhaus. 
Parken können Sie in der Parkgarage Staatsoper. 

Opernfan.de dankt der Staatsoper für die freundliche Unterstützung bei der Berichterstattung. 


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