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Foto © Katrin Ribbe

Wenn Michael Thalheimer die düsteren Teile der Beziehungen im Freischütz für seine Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper genauestens unter die Lupe nimmt, funktioniert die fast zwei Hundert Jahre alte Oper. Seine Inszenierung ist angesiedelt in einem Platzangst auslösenden Tunnel (Bühne: Olaf Altmann), der ort- und zeitlos ist. 

Wenn Michael Thalheimer die düsteren Teile der Beziehungen im Freischütz für seine Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper genauestens unter die Lupe nimmt, funktioniert die fast zwei Hundert Jahre alte Oper. Seine Inszenierung ist angesiedelt in einem Platzangst auslösenden Tunnel (Bühne: Olaf Altmann), der ort- und zeitlos ist. 

Den epochalen Startschuss zur Romantik in der deutschen Oper gab die 1821 in Berlin uraufgeführte Oper Der Freischütz von Carl Maria von Weber. Die Erzählung rankt sich um den Jägersmann Max, der sich für die Liebe von Agathe als zielsicherer Schütze behaupten muss. Aus Angst zu versagen, lässt er sich in der nahen Wolfsschlucht mit den finsteren Mächten des Waldes auf einen Pakt ein. Die Geschichte hat wenig Logik, das zwischenmenschliche Geschehen wirkt oberflächlich betrachtet banal und schließlich ist uns heute die romantische Sichtweise auf Wald, Wiesen und Jägerzunft abhanden gekommen. So glaubt einem heute niemand mehr, dass der Freischütz noch eine Relevanz hat.

Der Regisseur erläutert in einem zuvor ausgetrahlten, interessanten ZDF-Interview, dass ihn das Düstere, das Schicksalhafte am Freischütz am stärksten packt. „Das unabdingbare Schicksal von Agathe und Max, die zwangsläufig und sehr stringent in ihre eigene Katastrophe hineinrennen, ist etwas sehr zeitgemäßes“, meint Thalheier.

Das sich nach hinten verjüngende Bühnenbild  zieht in Thalheimers Inszenierung alle Aufmerksamkeit auf sich. Es dominiert die Optik und im Grunde die gesamte Inszenierung. Die Oper in einem solch grauen Tunnel spielen zu lassen, wirkt wie die zentrale Idee des Regieteams und leider gibt’s nach dem ersten Erkunden auch wenig Überraschendes. Klar, dass der Rauch erst in der Wolfsschlucht kommt. Klar, dass fast alle im Gegenlicht durch’s Wurmloch am Ende des Tunnels auftreten. Ebenfalls logisch, dass die böhmische Waldschenke genauso wenig vorkommt wie Agathes Stübchen! Handwerklich ist’s aber schlau gelöst: Die Szenen gehen im Nu ineinander über und einige Auf- und Abgänge zu den Seiten sind sinnvoll eingebaut.

Unklar bleibt, warum fast nur das Ännchen (spielfreudig wie vom Regisseur angekündigt: Anna Prohaska) ein definiertes Bewegungsmuster aus Zuckungen und Streckungen hat. Aber interessant sieht es aus, wie sie sich an den Tunnelseiten entlang hangelt, als wollte Sie dem Katastrophen-Strudel der Dorfgemeinschaft entgehen. Eine tragische, unglücklicke Figur, die Thalheimer und die beliebte Sängerin gut ausgestalten.

Ideal, dass Michael Thalheimer eine neue Dialogfassung erstellt hat. Die gesprochenen Szenen sind auf wenige Sätze zusammengestrichen, so dass die Oper in glatten zwei Stunden ohne Pause durchläuft. Eine halbe Stunde Text fällt somit weg, allerdings haben Nichtkenner kaum eine Chance, das Stück zu verstehen.

Die Sänger profitierten sehr vom dominanten Bühnenbild. Der Tunnel ist ein akustisches Phänomen, denn erstens geht wie häufig bei sehr offenen Bühnenbildern nichts vom Gesang zu den Bühnenseiten verloren. Zweitens wirkt das Wurmloch wie ein verstärkendes Megaphon, so dass von einigen hinteren Bühnenpositionen aus die Sänger wie „laut gedreht“ zu hören sind. Drittens bietet das Bühnenbild sehr beschränkte Bewegungsmöglichkeiten, wudurch rund drei Viertel der Arien, Duette und Ensembles fast vorne an der Rampe gesungen werden. So klingt es einfach schön, was den musik- und gesangsorientierten Opernfan besonders freut. Der warme, sehr harmonische Klang des Staatsopern-Chores findet sein solides, wohlklingendes Fundament im frischen Klang der Staatskapelle. Das Opernhaus trumpft mit zwei idealen Klangkörpern für das Standardwerk der Romantik auf. Sebastian Weigle wählt gute, eher zügige Tempi.

Dorothea Röschmann als Agathe bringt die dramatischen und die ruhigeren, verzweifelten Passagen der anspruchsvollen Partie voll zur Geltung. Burkhard Fritz als ihr Liebling Max hat neben guten lyrischen Momenten viele heldenhafte Forte-Stellen. Seine schöne Gestaltung weist mit feiner Dosierung auf die später komponierten deutschen Helden hin. Bei den tiefen Männerstimmen überzeugt die Rache des Falk Struckmann besonders gut. Eine besondere Bedeutung hat die Sprechstimme von Samiel, dem Schwarzen Jäger. Eine schwierige Aufgabe, als einzige Figur des Stückes nur sprechen zu dürfen! Mit rauher Farbe und unheimlichem Pathos in der Stimme ist Peter Moltzen die zur Hauptrolle aufgewertete, gut gebaute Leitfigur.

Schade, dass die düstere Lichtregie (Olaf Freese) erst bei der hellen Beleuchtung im Schlussapplaus erkennen lässt, wie liebevoll und detailreich die Kostüme und Trachten von Katrin Lea Tag gestaltet sind.

 

Premiere  am 18. Januar 2015

"Der Freischütz" von Carl Maria von Weber (1786 bis 1826)

Sängerinnen und Sänger 

  • Ottokar, böhmischer Fürst (Bariton): Roman Trekel
  • Kuno; fürstlicher Erbförster (Bassbariton): Victor von Halem
  • Agathe, Kunos Tochter (jugendlich-dramatischer Sopran): Dorothea Röschmann
  • Ännchen, Agathes junge Verwandte (lyrischer Sopran): Anna Prohaska
  • Kaspar, Jäger (Bass): Falk Struckmann
  • Max (Tenor): Burkhard Fritz
  • Ein Eremit (Bass): Jan Martiník
  • Kilian, ein reicher Bauer (Tenor): Maximilian Krummen
  • Samiel, der Schwarze Jäger (Sprechrolle): Peter Moltzen

 

Musikalische Leitung: Sebastian Weigle
Inszenierung: Michael Thalheimer
Bühnenbild: Olaf Altmann
Kostüme: Katrin Lea Tag
Licht: Olaf Freese
Chöre: Martin Wright
Dramaturgie: Katharina Winkler

Bitte beachten Sie in den nächsten Spielzeiten die frühzeitigen Ankündigungen dieser Inszenierung. 

Link zur Website der Staatsoper unter den Linden

Die Theaterkasse der Staatsoper hat die Berliner Telefonnummer (030) - 20 34 45 55. 

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