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„Le Prophète“ von Meyerbeer in Berlin: Ländler, Tanzmusik und langsame Walzer als Kontrast zu Terror und Gewalt
Die Premiere von "Le Prohète" in Berlin markiert das Ende eines weltweit einzigartigen Meyerbeer-Serie: Vier Opern des Komponisten waren in der Deutschen Oper Berlin in den letzten Jahren zu hören...
Die Premiere von "Le Prohète" in Berlin markiert das Ende eines weltweit einzigartigen Meyerbeer-Serie: Vier Opern des Komponisten waren in der Deutschen Oper Berlin in den letzten Jahren zu hören...
Mit „Le Prophète“ krönt die Deutsche Oper Berlin ein weltweit einzigartiges Projekt. Die Premiere am 26. November 2017 ist der letzte Teil eines großen, mehrjährigen Meyerbeer-Zyklus. Er begann erst vor zwei Jahren mit der Inszenierung von „Vasco de Gama“ und wurde in der Spielzeit 2016/2017 mit der bildstarken Aufführung von „Les Huguenots“ fortgesetzt. Zwischendurch war noch konzertant „Dinorah“ zu hören. Damit kamen gleich vier der selten gespielten Meyerbeer-Opern zur Aufführung. Sicherlich werden alle drei Neuinszenierungen in den nächsten Jahren ihren Platz im Repertoire der Deutschen Oper behalten.
„Le Prophète“, 1849 als Grand Opéra für Paris komponiert, bringt eines der blutigsten Kapitel der Reformationsgeschichte auf die Opernbühne. Es geht um Aufstieg und Niedergang einer radikalprotestantischen Sekte, der sogenannten Wiedertäufer. Die dunklen Männer, musikalisch durchgängig mit einem vom Komponisten aufgesetzten mittelalterlichen, in Latein gesungenen Choral portraitiert, haben im Jahre 1535 in Münster für eine kurze Zeit ein gewalttätiges Regime errichtet. In den Visionen der Sekte geht es ähnlich wie heute bei religiösen Fanatikern um „Das Rich Gottes auf Erden“. Die Oper wurde nur ein Jahr nach der gescheiterten Revolution des Jahres 1848 uraufgeführt. Sie galt sofort als Kommentar zu den politischen Ereignissen der Gegenwart. Bis heute scheint sie von dieser Relevanz nichts verloren zu haben.
Zum Verständnis von Inszenierung und Musik empfehlen wir, sich bereits vorher ein Programmheft der Neuinszenierung an der Opernkasse der Deutschen Oper zu besorgen. Darin ist auch ein ausführliches Interview mit dem bedeutenden Opernregisseur aus Frankreichs, Oivier Py zu lesen. Er fasst auch die Handlung des Stückes sehr prägnant zusammen: „Ein Mann (Jean), dessen Braut vergewaltigt wurde, verschafft sich durch den religiösen Fundamentalismus (der Wiedertäufer) die Möglichkeit zur Rache.“
Das besondere an „Le Prophète“ ist, dass die Oper noch kurz vor Erscheinen an tagesaktuelle Bezüge angepasst wurde. So liegt es nahe, der Inszenierung in Berlin „moderne“ Elemente zu geben. Die Szene spielt irgendwo zwischen den 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und der heutigen Zeit. Graf Oberthal kommt in einem schicken Mercedes daher, Maschinengewehre und Revolver sind gängige Waffen. Die Oper spielt zwischen grauen Häuserschluchten, massiven Steinmauern und über weite Strecken schlichtweg auf den Straßen einer in grau getünchten Großstadt. Alles ist in kurzweilige, abwechslungsreiche Bilder gefasst. Das wichtigste, schon in der Konstruktion sicher sehr teure Herzstück der Bühne ist ein vielseitig einsetzbares metallenes Gebäude auf der Drehbühne. Durch seinen modularen Aufbau eröffnet es vielseitige Räume unterschiedlichster Größen (Bühne, Kostüme: Pierre-André Weitz).
Musikalisch ist unter der Leitung von Enrique Mazzola das Orchester der Deutschen Oper Berlin einer der Stars des Abends. In dieser Grand Opéra verlangt Meyerbeer Streichergruppen von überschaubarer Größe, dabei wird aber mit großem Bläsersatz, zwei Hafen und reichlich Schlagwerk gespielt. Von den Plätzen im Rang aus können Opernfans genau verfolgen, wie Mazzola jeden Bogen der Partitur genauestens gestaltet, die Lautstärke zwischen Bühne und Orchester aufs genaueste austariert und alle beteiligen Künstler bei Laune hält. In der komplexen Partitur sind Tanzrhythmen besonders häufig. Stereotype 3/8-Takte eines Ländlers und eines „Dorftanzes“ sind genauso zu finden wie die musikalische Form einer Ecossaise und ein langsamer Walzer im Klagelied der Fidès. Besonders gelingt Mazzola und dem Orchester die Gestaltung von „Couplets bachiques“ im vierten Akt, zu musizieren als 6/8-Takt in „wilder Ausgelassenheit“.
Der Chor der Deutschen Oper Berlin gestaltet in gutem Französisch die anspruchsvolle Chorpartie präzise und ausdrucksstark.
Der amerikanische Tenor Gregory Kunde, nach eigenen Angaben seit 38 Jahren auf den Opernbühnen der Welt Zuhause, meistert das Debut in der anspruchsvollen, über weite Strecken sehr dramatischen Partie des Jean mit großer Beweglichkeit (er ist als Rossini-Sänger berühmt geworden) und mit tenoraler Durchschlagskraft. Elena Tsallagova leiht der jungen Berthe ihre schöne Sopranstimme. Ihre lyrischen Momente kommen beim Premierenpublikum sehr gut an. Ein leichtes Zittern im Forte in den höheren Lagen ist sicherlich einer normalen Premieren-Nervosität geschuldet. Schön, dass die russische Sängerin im Frühjahr 2018 nochmals in einer Premiere zu hören sein wird: Als Corinna in „Il Viaggio a Reims“, einer Rolle, die sie auch schon bei den Rossini-Festspielen in Pesaro gestaltet hat.
Während die männlichen Sänger durchweg einzeln und gemeinsam zwischen unheimlichem und elegantem Ausdruck wechseln, ist auch die Mezzosopranistin Clémentine Margaine mit ihrem warmen, gefühlvollen Mezzosopran in der Rolle der dramatischen Figur der Fidès (Jeans Mutter) ideal besetzt. Erfreulich, dass Margaine in der Deutschen Oper Berlin ab Januar 2018 wieder die Titelpartie in „Carmen“ in einer neuen Inszenierung singen wird.
So ist diese Aufführung ein gelungener Abschluss des aufwändigen, mehrjährigen Meyerbeer-Serie in der Deutschen Oper Berlin. Die weiterhin eher selten gespielte Oper „Le Prophète“ ist wegen ihrer starken, zeitgemäßen Bilder sehenswert, für Opernfans mit Interesse an musikalischen Entdeckungen dagegen sogar ein absolutes Muss!
Le Prophète
Giacomo Meyerbeer (1791 bis 1864)
Grand Opéra in fünf Akten
Libretto von Eugène Scribe und Émile Deschamps.
Uraufführung am 16. April 1849 in der Pariser Oper
Premiere in der revidierten Fassung der historisch-kritischen Edition an der Deutschen Oper Berlin am 26. November 2017
In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Die Oper dauert etwa 4,5 Stunden, darin sind zwei Pausen a 25 Minuten enthalten.
Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Inszenierung: Olivier Py
Bühne, Kostüme: Pierre-André Weitz
Licht: Bertrand Killy
Chöre: Jeremy Bines
Kinderchor: Christian Lindhorst
Dramaturgie: Jörg Königsdorf, Katharina Duda
Jean de Leyde: Gregory Kunde
Fidès: Clémentine Margaine
Berthe: Elena Tsallagova
Zacharie: Derek Welton
Jonas: Andrew Dickinson
Mathisen: Noel Bouley
Graf Oberthal: Seth Carico
1. Bäuerin: Sandra Hamaoui
2. Bäuerin: Davia Bouley
1. Bauer / 1. Wiedertäufer / 1. Bürger / Soldat: Ya-Chung Huang
2. Bauer / 2. Wiedertäufer: Taras Berezhansky
2. Bürger / Offizier: Jörg Schörner
3. Bürger: Dean Murphy
4. Bürger: Byung Gil Kim
Chöre: Chor der Deutschen Oper Berlin
Kinderchor der Deutschen Oper Berlin
Orchester: Orchester der Deutschen Oper Berlin
Ballett: Opernballett der Deutschen Oper Berlin
Telefonischer Kartenservice der Deutschen Oper Berlin: +49 (30) 343 84-343.
Website mit der Möglichkeit, Karten für die Deutsche Oper Berlin zu bestellen: www.deutscheoperberlin.de
Das Opernhaus Deutsche Oper Berlin ist in der Bismarckstraße 35, 10627 Berlin.
Am bequemsten erreichen Opernfans die Deutsche Oper Berlin mit der U-Bahnlinie U2, Station „Deutsche Oper“.