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Foto © Alexander Hildebrand, opernfan.de

Die Neuinszenierung von Wagners romantischer Oper spielt an der Deutschen Oper Berlin in einem feuchten  Gebäude. Man meint, den Muff der Segel riechen zu können…

Die Neuinszenierung von Wagners romantischer Oper spielt an der Deutschen Oper Berlin in einem feuchten  Gebäude. Man meint, den Muff der Segel riechen zu können…

Regisseur Christian Spuck, an der Deutschen Oper Berlin bereits im Jahr 2013 mit „Fausts Verdammnis“ erfolgreich, macht schon während der Ouvertüre klar, welche Stimmung seine Inszenierung haben wird. Der einsame Erik sitzt in einem überdimensionierten, dusteren Zimmer. Das Innere eines Schiffes? Ein Studierzimmer? Sind die zwei riesigen Türen Öffnungen in die Ewigkeit? Die Interpretation ist dem Zuschauer überlassen. Zunächst knallen Wassertropfen in eine riesige Pfütze. Die Stimmung ist feucht-trübe, gar tropisch.

Die in dieser Inszenierung erzeugten Bilder schwitzen, laufen gar über und bleiben düster bis zum Schluss. Sie erinnern über weite Strecken an Wolfgang Petersens Filmklassiker „Das Boot“. Chormänner taumeln mit Taschenlampen über die Szene, Gestalten, die aus der Unterwelt kommen, füllen die Bühne. Man meint, den Muff der Segelschiffe förmlich riechen zu können.

Die Übergänge der rasch aufeinander folgenden Szenen sind im Grunde geschickt gemacht. Eine vertäute Schiffsladung aus dem ersten Teil entpuppt sich als ein Haufen verrosteter Nähmaschinen, an denen der Damenchor sitzt. Das alte Segel, das die Schiffsladung einhüllt, wird zu den Wänden von Dalands Haus. Alles, was auf der Bühne gebraucht wird, ist von Beginn an da. Und alles, was nicht mehr gebraucht wird, bleibt. So verschwinden im dritten Teil die Nähmaschinen wieder und werden als geheimnisvolle Ladung weiter verschifft. So ist es in dieser Inszenierung auch möglich, sämtliche Auf- und Abgänge durch die Pfütze des hinteren Bühnenbereiches stattfinden zu lassen. Kein Umbau, keine Wechsel des Bühnenbildes. Dadurch wird die Inszenierung dicht und bedrohlich.

Klick auf's Bild führt Sie zu weiteren Bildern der Oper "Der fliegende Holländer" in der neuen Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin!

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Den großen Bogen der Inszenierung spannt Erik auf (elegant grünlich in der Farbe der Hoffnung gekleidet: Thomas Blondelle). Er schlüpft durch sein ängstliches Nachsinnen zu Beginn und am Ende der Oper in die Rolle eines Ich-Erzählers. Erik durchlebt den Untergang seiner Senta als Albtraum. Ensemblemitglied Blondelle ist der Sympathieträger des Abends, denn Erik ist die menschlichste Figur von allen. Er findet dabei die perfekte Mischung aus lyrischem Gesang, dramatischem Ausdruck und fast gesprochenen, innigen Passagen. Bemerkenswert, wie souverän er den Abend bestreitet, zumal er vor dem ersten Ton schon fast eine Stunde auf der Bühne ist.

Samuel Youn in der Titelrolle wird seiner gespenstischen Aufgabe mehr als gerecht. Seine Stärken als Darsteller des untoten Holländers stehen einer ausgewogenen musikalischen Gestaltung der Mammutpartie in nichts nach. Besonders positiv bleibt in Erinnerung, wie im Mezzoforte der markante Kern seiner sehr schönen Stimme zu hören ist.

Ingela Brimberg ist spielerisch eine introvertierte, nie lächelnde Senta. Mit ihrem ausdrucksstarken dramatischen Sopran nimmt Brimberg die Zuhörer mit auf eine Reise in das verirrte Innere des armen Kindes. Die junge Frau ist auf dem Weg in den Wahnsinn. Der Holländer ist der berühmte imaginäre Freund Sentas, dem sie sich opfert, um ihn zu erlösen. Die schwedische Sopranistin versteht es, die finsteren Seiten der Geschichte musikalisch zu ergründen, versäumt es aber nie, in der hohen Lage mit strahlenden Tönen der naiven Seite Sentas Raum zu geben.

Tobias Kehrer ist ein spielfreudiger „dummer Daland“, wie Christian Thielemann diese Rolle einst nannte. Matthew Newlin gestaltet einen süßlichen Steuermann, dem man die Unerfahrenheit auf See und die Verzweiflung über Flaute und Stürme sofort abnimmt. Ronnita Miller als Mary ist ausdrucksstark mit der Stimme und überzeugend im Spiel als die gute Seele des Hauses.

Die Klangfarben des Orchesters der Deutschen Oper Berlin bilden einen guten Kontrast zur trüben Bühne. Generalmusikdirektor Donald Runnicles erzeugt über dem Fundament der berauschenden Streicherklänge ein helles und sehr transparentes Klangbild. Es scheint, als wolle er im Klang besonders viel Licht erzeugen, um einen Kontrast zur düsteren Bühne zu haben. Lassen wir die Beweggründe beiseite, das Orchester der Deutschen Oper wird unter der Leitung von Maestro Runnicles seinem Ruf als eines der weltweit führenden Wagner-Orchester an diesem Abend sehr gerecht.

Schließlich sei bemerkt, dass diese Inszenierung auch in einem überdimensionierten unterirdischen Verließ spielen könnte. Die grauen Seiten des Zimmers laufen aufeinander zu, das Verließ verjüngt sich also nach hinten. Es ist grau und duster und hat Türen in die Ewigkeit. Diese Inszenierung zitiert vermutlich ungewollt sogar den gerade abgespielten Zeittunnel der Ring des Nibelungen-Inszenierung von Götz Friedrich. Wie alle Opernfans wissen, spielte die populäre Ring-Inszenierung aus den Achtziger Jahren komplett unter der Erde. Obwohl von Wagner nicht vorgesehen, ist die Szene auch bei dieser Neuinszenierung von „Der fliegende Holländer“ in einen lichtlosen Raum verlegt. So hat sich der Zeittunnel in Berlin jetzt für immer geschlossen, aber die Wagner-Türen in die Ewigkeit sind durch das Regieteam um Christian Spuck wieder geöffnet worden.

Premiere am 8. Mai 2017.
Deutsche Oper Berlin
Berlin, Deutschland

Romantische Oper in drei Aufzügen
Musik und Dichtung von Richard Wagner
Uraufführung am 2. Januar 1843 in Dresden
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 7. Mai 2017

  • Daland: Tobias Kehrer
  • Senta: Ingela Brimberg
  • Erik: Thomas Blondelle
  • Mary: Ronnita Miller
  • Steuermann: Matthew Newlin
  • Holländer: Samuel Youn
  • Inszenierung: Christian Spuck
  • Bühne: Rufus Didwiszus
  • Kostüme: Emma Ryott
  • Licht: Ulrich Niepel
  • Chöre: Raymond Hughes
  • Dramaturgie: Dorothea Hartmann

 

Musikalische Leitung: Donald Runnicles

Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

Auf Deutsch mit deutschen und englischen Übertiteln

2.15 Stunden  ohne Pause

Telefonischer Kartenservice der Deutschen Oper Berlin: +49 (30) 343 84-343.

Website mit der Möglichkeit, Karten für die Deutsche Oper Berlin zu bestellen: www.deutscheoperberlin.de

Das Opernhaus Deutsche Oper Berlin ist in der Bismarckstraße 35, 10627 Berlin.
Am bequemsten erreichen Opernfans die Deutsche Oper Berlin mit der U-Bahnlinie U2, Station „Deutsche Oper“.


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