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Uraufführung von Edward II bringt rohe Gewalt gegen Schwule auf die Opernbühne

Geschrieben von Alexander Hildebrand am .
Foto: © Monika Rittershaus

Edward II dreht sich um einen großen dramatischen Konflikt. Die Frau des Königs Edward II fühlt sich wegen dessen Homosexualität vernachlässigt. Sie verbündet sich mit dessen Feinden und versucht, ihn für Geisteskrank erklären zu lassen. In einem Auftragswerk für die Deutsche Oper findet der Komponist Andrea Lorenzo Scartazzini eine Klangsprache für die Verzweiflung von drei Liebenden. 

Edward II dreht sich um einen großen dramatischen Konflikt. Die Frau des Königs Edward II fühlt sich wegen dessen Homosexualität vernachlässigt. Sie verbündet sich mit dessen Feinden und versucht, ihn für Geisteskrank erklären zu lassen. In einem Auftragswerk für die Deutsche Oper findet der Komponist Andrea Lorenzo Scartazzini eine Klangsprache für die Verzweiflung von drei Liebenden. 

Die Deutsche Oper Berlin hat in einer großen Anstrengung aller Abteilungen die Uraufführung der Königssoper Edward II. zu einem besonderen Abend gemacht. „Die ersten Gespräche mit Andrea Lorenzo Scartazzini über diese neu zu komponierende Oper fanden vor fünf Jahren statt“, erläuterte Intendant Dietmar Schwarz auf der Premierenfeier zum Auftragswerk „Edward II“. Das neunzigminütige Werk ist die Vertonung eines Librettos von Thomas Jonigk, die der schweizer Komponist (Jahrgang 1972) Andrea Lorenzo Scartazzini komponierte. In der Spielplangestaltung beweist die Leitung des Hauses damit großes Geschick, lässt sie doch wenige Monate auf die Premiere der Grand Opera „Die Hugenotten“ eine weitere „Große Oper“ folgen, die in Ausdruckskraft und Dramatik dem Pariser Meyerbeer-Werk kaum nachsteht.

Die Handlung der Oper  dreht sich um die recht frei erzählte Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte des englischen Königs Edward II. Der homosexuelle König lebt offen mit seinem Geliebten Gaveston zusammen. Die enttäuschte Königin Isabella, durch Edward sogar viermal Mutter geworden, will ihren Gatten entthronen und beseitigen. Angstzustände und Albträume plagen den Herrscher.

Isabella verbündet sich mit Edwards Feinden. Der vom abgesetzten Bischof scharf gemachte Pöbel jagt die Schwulen der Stadt wie Freiwild. Aus Angst trennen sich Liebhaber Gaveston und König Edward vorübergehend.

Der König erwägt, politische Feinde dem Henker zu überlassen, als seine Vision von der Ermordung Gavestons wahr wird. Edward, dem Wahnsinn nahe, lässt in einer Massenhinrichtung seine Feinde enthaupten. Sein Erzfeind Sir Roger Mortimer entgeht dem Tod, da er sich mit Königin Isabella nach Frankfreich abgesetzt hat. Von dort planen die beiden die Absetzung Edwards.

Am Schluss ist Edward in einem Verließ gefangen. Vor den Augen seines Sohnes Edward III. heuern Isabella und Mortimer einen Mörder an, der den König tatsächlich umbringt.

Die Oper endet mit einem utopischen Bild. Aus dem böswilligen Volk wird eine harmlose Touristengruppe, die aus der heutigen Zeit auf die Ermordungsszene blicken.

Regisseur Christof Loy setzt die in ein gruseliges Stück gefasste Gewalt in ausdrucksstarke Bilder um. Zentrale Idee des Bühnenbildes ist eine kleine, kirchenähnliche Drehbühne, die sich während des Stückes einmal dreht und das Verlogene von Bischof und Kirche „von allen Seiten“ zeigt. Davor ist die Bühne mal das Schlafzimmer des Königs, mal der Richtplatz der Stadt. Unverständlich allerdings, warum die vielgenutzten Chiffren der homosexuellen Welt so stark in den Vordergrund geholt werden. Lederklamotten und dunkle Treffpunkte? Etwas subtiler hätte man es auch verstanden. Gerade die Vordergründigkeit der gewählten Mittel verhindert, dass die gerade in der Oper so gewünschte und geforderte Metaebene entsteht. 

 

Ladislav Elgr als Pers de Gaveston, Ensemble. Foto: © Monika Rittershaus
Ladilsav Elgr als Piers de Gaveston, Michael Nagy als Edward II. Foto: © Monika Rittershaus
Michael Nagy als Edward II. Foto: © Monika Rittershaus
Michael Nagy (links) als Geliebter von Edward II. Ensemble. Foto: © Monika Rittershaus
Burkard Ulrich als Walter Langton, Bischof von Coventry. Foto: © Monika Rittershaus
Agneta Eichenholz als Isabelle, Ehefrau von Edward II. Foto: © Monika Rittershaus
Jarrett Ott als Engel, Michael Nagy (liegend, Edward II), Gieorgij Puchalski (Spencer jr.). Foto: © Monika Rittershaus
Michael Nagy (im Vordergrund) als Edward II. Foto: © Monika Rittershaus

 Der Bariton Michael Nagy als Edward II. glänzt mit großer Ausdruckskraft und sehr überzeugend dargestellter Verzweiflung und Not. Von Agneta Eichenholz als Isabella hinterlässt mit großer Durchschlagskraft einen bleibenden Eindruck. Von ihr wüschen wir uns andere Rollen im Haus an der Bismarckstraße, der Abend war ihr Debüt. Ladislav Elgr als Gaveston, im letzten Jahr in Makropolous sehr erfolgreich, verkörpert den einfühlsamen und durchtrainierten Liebhaber Gaveston mit interessantem tenoralen Glanz. Jarrett Ott ist nicht nur ein durchtrainierter Hingucker, vielmehr  passt sein samtweicher Bariton haargenau zum Engel, der ruhigsten Figur der Oper. Gideon Poppe und Markus Brück sind in ihren fünf Rollen (Soldaten, Räte, Geistliche, Wärter, Tourguides) die unterhaltsamen Clowns des Abends. Ihre Rollen sind den Totengräbern in Shakespeares Hamlet nachempfunden.

Thomas Sondergard leitet ein engagiertes Orchester, das präzise die dynamisch oft etwas zurückgenommene Partitur durchdringt.

Als Autor dieser Zeilen muss ich nun rund 24 Stunden nach dem letzten Akkord der Uraufführung festhalten, dass Werk, Musik und die von Regisseur Christoph Loy gewählten unheimlichen, weil sehr gewalttätigen Bilder Verwirrung und Unsicherheit hinterlassen haben. Meinungsbildung über Musiktheater ist eine interessante Aufgabe, aber hier haben die gewalttätigen Szenen eine ablehnende Haltung entstehen lassen. Dennoch ist bei mir eine besondere Anerkennung über den musikalischen Ausdruck der Komposition, der Sänger und des Orchesters entstanden. Das interessante Bühnenbild und die ausgereifte, stimmungsvolle Lichtregie machen diese Uraufführung  zu einem künstlerisch hochwertigen Opernabend.

 

Uraufführung und Premiere am 19. Februar 2017. Weitere Aufführungen am 24. Februar 2017, 1., 4. und 9. März 2017. 
Deutsche Oper Berlin
Berlin, Deutschland

"Edward II von Andrea Lorenzo Scartazzini.

Sängerinnen und Sänger

  • Edward II.: Michael Nagy 
  • Isabella, Ehefrau: Agneta Eichenholz 
  • Piers de Gaveston, Geliebter des Königs Edward II: Ladislav Elgr
  • Roger Mortimer: Andrew Harris 
  • Walter Langton, Bischof von Coventry: Burkhard Ulrich
  • Lightborn: James Kryshak
  • Engel: Jarrett Ott
  • Soldaten, Räte, Geistliche: Markus Brück und Gideon Poppe
  • Spencer jr.: Gierogij Puchalski

Musikalische Leitung: Thomas Søndergård

Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

Telefonischer Kartenservice der Deutschen Oper Berlin: +49 (30) 343 84-343.

Website mit der Möglichkeit, Karten für die Deutsche Oper Berlin zu bestellen: www.deutscheoperberlin.de

Das Opernhaus Deutsche Oper Berlin ist in der Bismarckstraße 35, 10627 Berlin.
Am bequemsten erreichen Opernfans die Deutsche Oper Berlin mit der U-Bahnlinie U2, Station „Deutsche Oper“.


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