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Starke Neuinszenierung von Così fan tutte in Berlin ist zum Verlieben
Così fan tutte startet in einer Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin...
Così fan tutte startet in einer Neuinszenierung an der Deutschen Oper Berlin...
Die Oper Così fan tutte behandelt ein Thema, das uns alle angeht: Die Liebe! Die Gedanken um diese vielschichtige Verbindung von Menschen beschäftigen uns von der Früh bis in die Nacht. Das war so zu Mozarts Lebzeiten, das ist bis zum heutigen Tage so. Die Mozartoper ist die dritte Gemeinschaftsarbeit zwischen dem Komponisten und dem Librettisten Lorenzo da Ponte, und gewiss ist sie auch die am stärksten kritisierte. Ihre schlichten Aussagen über das Leben und die Liebenden führten einerseits zu lustigen Umarbeitungen mit Titeln wie „Sind sie treu?“ und „So machen’s alle!“. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts führte hingegen eine intensive und wohlwollende Aufführungspraxis gerade rund um die Salzburger Festspiele zu einer Aufwertung des Stückes, so dass schließlich die Buffa-Oper Così gegenüber den anderen Opern aus Mozarts Reifezeit heutzutage eine Gleichberechtigung erfährt.
Nach der imposanten Neuproduktion der Mozartoper Entführung aus dem Serail in der vergangenen Spielzeit und der spektakulären Inszenierung von Don Giovanni im Repertoire steht seit der Premiere am 25. September 2016 der Deutschen Oper Berlin in den nächsten Jahren eine zeitgemäße, optisch aufwändige und musikalisch herausragende Neuinszenierung von Così fan tutte zur Verfügung.
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Etwas zu volkstümlich startet die Inszenierung des Opernneulings Robert Borgmann: Ferrando und Guglielmo treten aus dem Publikum heraus auf. Soll heißen: „Wir sind ein Teil von Euch!“. Dann geht’s aber recht flott in die wesentliche Handlung hinein: Der etwas zu ernste Don Alfonso (zurückhaltend: Noel Bouley) lässt sich auf die Wette ein, dass die angebeteten Schwestern der Offiziere Guglielmo und Ferrando auch bei Abwesenheit der Herren völlig treu wären.
Bereits beim Abschied der beiden Offiziere beginnt die Inszenierung ihre optischen Stärken zu entfalten. Regisseur Borgmann zeichnet auch für die Bühne verantwortlich. Er gönnt dem Stück den Luxus eines hollywoodreifen, glänzenden Bühnenbodens, der stets die gut ausgeleuchteten Solisten spiegelt und zusätzlich viele optische Effekte in die Tiefe verstärkt.
Viele bewährte Theaterkniffe finden Verwendung. Beim Abschied der Offiziere setzt sich die Drehbühne langsam in Bewegung. Die Offiziere schreiten punktgenau hart ausgeleuchtet nach links, die Damen erheben sich im weichen Schein diffuser Scheinwerfer und gehen langsam nach vorne. Über den Abend hinweg entwickelt Borgmann immer wieder solch interessante, kontrastreiche Gänge und Abläufe. Die Inszenierung ist durchdacht, jede der vielen Ideen funktioniert einwandfrei.
So schleichen sich die beiden Herren davon und treiben fortan als verkleidete Fremde Schabernack mit den hübschen Schwestern Fiordiligi und Dorabella. Sie nähern sich in Verkleidung jeweils der anderen Schwester und kommen mehr oder minder zum Erfolg. Unübersehbar gelingt es gerade dem magentafarbenen Guglielmo, das Blondchen Dorabella zu erobern. Den vorläufigen Höhepunkt ihrer Liebesbeziehung gestalten die beiden in der Horizontalen auf dem Souffleurkasten. So versteht es jeder, für ein Skandälchen reicht’s ob der zum Glück anbehaltenden Kleider aber nicht.
Ferrando hingegen schlägt sich hingegen mit der etwas hartnäckigeren, introvertierten Fiordiligi herum. Ihre Beziehung ist durchweg sehr gut gespielt und noch besser gesungen, dazu unten mehr. Schön aber die Idee, den lebensfrohen Tenor ob der Untreue seiner Freundin zum Alkoholiker zu machen, Whiskeyflasche und Torkeln inklusive. Als enttäuschter Liebhaber bekommt Ferrando seinen besten Auftritt: Im glänzenden Hausmantel nähert er sich entlang eines abgehalfterten Kronleuchters dem Objekt seiner Träume, kann bei Fiordiligi aber selbst im dünnen Gewand nicht landen.
Für die Premierenbesetzung ist der Deutschen Oper Berlin ein großer Wurf in Sachen Ensemblekunst gelungen. Die sechs Solisten harmonieren stimmlich hervorragend. Einerseits sind die Sängerinnen und Sänger in etwa gleich alt, andererseits haben die musikalischen Proben mit Maestro Donald Runnicles eine sehr große Harmonie in Sachen Gestaltung, Tongebung und Phrasierung hervorgebracht.
Paolo Fanale, in der Berliner Bismarckstraße zuletzt im Liebestrank als etwas zurückhaltend erlebt, hat in der Rolle des Ferrando Erfahrungen in den großen Opernhäusern der Welt gesammelt. Er bringt seinen extrem wohlklingenden lyrischen Tenor mit wunderbarem Legato und angenehmer Strahlkraft über den Orchestergraben. Die Spielfreude des italienischen Sängerdarstellers ist sehr überzeugend, dabei tut die gelbgrüne Leuchtfarbe (Kostüme: Michael Sontag) seines Anzuges optisch ihr Übriges.
Der Amerikaner John Chest steht manchmal im Schatten seines leuchtenden Offizierskollegen. Er trumpft aber in den beiden großen Guglielmo-Arien gut auf. Stephanie Lauricella gelingt ein mädchenhaftes Dorabella-Portrait. Alexandra Hutton entspricht optisch und stimmlich genauestens den landläufigen Despina-Vorgaben. Die australische Sopranistin nutzt aber jede Gelegenheit, lieblichen Klischees zu entkommen, wozu ihr Kostüm (Latext-Overall!) und Requisite (Peitsche!) ausreichend Gelegenheit bieten.
Nicole Car als Fiordiligi ist unter den Sängerinnen der Star der Aufführung. Ihre warmen Klangfarben, der innige Ausdruck in ihren großen, besonders langen Arien kommt sehr, sehr gut an und wird mit großem Szenenapplaus belohnt. Sehr interessant klingt neben der leichten Höhe, der geschmeidigen Mittellage auch ihre solide, tiefe Lage, was in einer so ausgewogenen Kombination eher selten zu hören ist. Dazu hat die Stimme der erfolgreichen Australierin einen markanten Kern, der ihr in den letzten Jahren bestimmt bei Auftritten in noch etwas schwereren Partien wie Figaro-Gräfin und Donna Elvira zu Gute gekommen ist.
Das Orchester der Deutschen Oper entfaltet in dieser Neupruktion unter der souveränen Leitung des Mozart-Liebhabers Donald Runnicles einen ansprechenden, akzentuierten und wo nötig schlagkräftigen Mozartklang. Stets formt er mit klaren Gesten und liebevollen, schwingenden Bewegungen die großen Bögen. Hervorzuheben ist, dass er die Sänger extrem zuverlässig führt und Ihnen über alle Hürden und Klippen der anspruchsvollen, großen Rollen hinweghilft. Droht ein Schleppen nach Tempowechsel, sind die Zeichen zur Bühne besonders klar. Wünscht sich Runnicles einen besondes offenen Ton, bereitet er dies mit großen Gesten nach oben vor. Seine Dirigat führt so stets zu unmittelbaren und schönen muskalischen Resultaten.
So ist dieser sehenswerte Abend ein musikalisches Ereignis, dass der oft stiefmütterlich behandelten Oper Così fan tutte über Jahre einen guten Rahmen geben wird, um die gute Mozarttraditionen der Deutschen Oper fortzusetzen.
Entnehmen Sie bitte den Angaben unten, wann die weiteren Vorstellungen in dieser Spielzeit auf dem Programm stehen.
Wolfgang Amadeus Mozart
Così fan tutte
Oper in drei Akten.
Dramma giocoso in zwei Akten, KV 588 Libretto von Lorenzo da Ponte
Dauer: 3 Std. 15 Min., mit einer Pause
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
- Musikalische Leitung: Donald Runnicles
- Regie und Bühne: Robert Borgmann
- Kostüme: Michael Sontag
- Video: Lianne van de Laar
- Licht: Carsten Rüdiger
- Chörer: Raymond Hughes
- Dramaturgie: Jörg Königsdorf
Die Sängerinnen und Sänger der besuchten Premiere:
- Fiodiligi: Nicole Car
- Dorabella: Stephanie Lauricella
- Guglielmo: John Chest
- Ferrando: Paolo Fanale
- Don Alfonso: Noel Bouley
- Despina: Alexandra Hutton
Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin.
Besuchte Premiere am 25. September 2016,
weitere Vorstellungen am 28. September, 1., 8., 11. und 14. Oktober 2016.
Telefonischer Kartenservice der Deutschen Oper Berlin: +49 (30) 343 84-343.
Website mit der Möglichkeit, Karten für die Deutsche Oper Berlin zu bestellen: www.deutscheoperberlin.de
Das Opernhaus Deutsche Oper Berlin ist in der Bismarckstraße 35, 10627 Berlin.
Am bequemsten erreichen Opernfans die Deutsche Oper Berlin mit der U-Bahnlinie U2, Station „Deutsche Oper“.