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Das Regieteam verlegt die Handlung in die fünfziger Jahre. Salome und ihre Eltern durchleben den Untergang in einem spießigen Kaufhaus für Anzüge.  

Das Regieteam verlegt die Handlung in die fünfziger Jahre. Salome und ihre Eltern durchleben den Untergang in einem spießigen Kaufhaus für Anzüge.  

„Lauter perverse Leute“ treten laut Richard Strauss in der Oper Salome auf. Das Stück wird häufig aufgeführt und benötigt auch deshalb immer wieder neue Regiekonzepte. In der Inszenierung von Claus Guth sehen wir die Hauptfiguren und zahlreiche hineingeschriebene Personen als Kunstfiguren in einer düsteren und surreal ausgestatteten Bühne. 

Klick auf's Bild führt zur Bildergalerie der Inszenierung. Oder hier entlang:  Zur Bildergalerie von Salome

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Salome spielt zu Beginn unserer Zeitrechnung im Palast von Herodes in Jerusalem. Salomes Mutter ist Herodias, ihr Stiefvater ist König Herodes. Salome gelingt es, die Wachen zu bezirzen, damit sie ihr den Gefangenen Jochanaan zeigen. Er ist der aus der Bibel sehr bekannte Johannes der Täufer. Salome verliebt sich sofort. Darüber ist vor allem Narraboth erzürnt, der schon lange für Salome schwärmt. Er tötet sich aus Verzweiflung selbst. Herodes ist darüber entsetzt und bittet seine Stieftochter, zur Ablenkung für ihn zu tanzen. Salome willigt erst ein, also Herodes verspricht, ihr danach einen beliebigen Wunsch zu erfüllen. Salome führt den „Tanz der sieben Schleier“ auf. Dann wünscht sie sich, den Kopf des Jochanaan auf einem Silbertablett serviert zu bekommen. Der übergriffige Herodes versucht, sie mit Gold und Juwelen umzustimmen, aber Salome bleibt standhaft. Der Henker tötet Jochanaan. Salome bekommt ihren Willen. Sie küsst die blutigen Lippen des Totenkopfes und streichelt ihn. Herodes ist entsetzt und lässt Salome töten. 

Claus Guth debütiert mit der Regie an der Deutschen Oper Berlin. Er ist erfahren mit Strauss und inszenierte bereits Daphne und Der Rosenkavalier in Frankfurt am Main. Die Frau ohne Schatten brachte er an der Mailänder Skala heraus.

Guth geht gekonnt und geschickt auf die Tiefsinnigkeit der handelnden Personen ein. Seine Deutungen sind interessant, vielseitig und sehenswert. 

Viele Aspekte sind besonders gut beleuchtet. Zunächst wird besonders offensichtlich, dass es Salome ausschließlich möglich ist, in der Sünde zu lieben. Aber der Regisseur klagt die Titelfigur nicht an, er deutet ihre Entwicklung. Er nimmt das Publikum mit in ihre erst kindliche, später reife, aber auf jeden Fall sehr verwundete Seele. Anfangs wehrt man sich gegen das Grauen. Zu Beginn kam mir der märchenhafte Wunsch, dass es doch schön wäre, die junge Frau käme einfach mit ihrem Verehrer Narraboth zusammen und die Geschichte ginge gut aus. Ganz schnell ist aber zu erkennen, dass es böse enden wird. Narraboth ist nämlich nur eine Puppe, ein Holzkopf ohne Charme (wie immer strahlend: Thomas Blondelle). Er scheint stets „eine Armlänge Abstand“ zur Prinzessin zu halten.

Natürlich ist auch Herodes eine dankbare, sehr dramatische Figur. Burkhard Ulrich macht aus dem gehässigen Stiefvater einen fiesen Schlipsträger mit bösem Grinsen und heldenhaftem Gesang.

Es ist bei Claus Guth üblich, dass er die Titelfigur dupliziert. In der neuen Salome-Inszenierung sind sechs Mädchen zwischen acht und vierzehn ins Stück geschrieben, die Salome in verschiedenen Entwicklungsstufen zeigen. Stellvertretend erleben die für die gute, ruhige Darstellung zu lobenden stummen Spielkinder die traumatischen Erlebnisse von Salome. Einmal wird ein hilfloses Kind auf dem Kopf zur Schau gestellt, dann wieder verspricht Herodes einer kindlichen Salome Juwelen, die selbst ihre Mutter nicht gesehen hat! Die Schutzlosigkeit der Kinder-Doubles verstärkt die vielseitigen Aspekte von Salomes Entwicklung zur Tyrannin. Die Kaltherzigkeit von Herodias (gespenstisch: Jeanne-Michèle Charbonnet), die fiese Etikette des Königshauses und schließlich die Unnahbarkeit der Palastbewohner lassen die junge Frau in den Abgrund schreiten. Ursache für Salomes Kaltherzigkeit ist laut Claus Guth der sexuelle Missbrauch der jungen Titelfigur. Ein wichtiges Thema, aber gleichzeitig starker Tobak für das Charlottenburger Opernpublikum. 

 

Catherine Naglestad ist eine erfahrene Salome. Sie blüht in der Rolle voll auf und verleiht ihr nicht nur ein schönes Antlitz, sondern auch eine wunderschöne Stimme. Ausdrucksstark pendelt ihr dramatischer Sopran zwischen leiser Angst und monströsem Forte. Mühelos gelingt es ihr, einen strahlenden Klang über den Orchestergraben zu bringen.

Jochanaan hat es Salome angetan, er ist das Salomes Objekt der Begierde. Michael Volle (kürzlich noch ein imposanter Holländer in der Berliner Staatsoper) lässt sich voll und ganz auf das ungewöhnliche Regiekonzept ein. Zunächst tritt er nur mit Unterhose bekleidet auf, dann räkelt er sich verwundbar auf dem Kerkerdeckel, der im Grunde ein Kleiderhaufen ist. Sein Spiel ist sehr überzeugend. Der beliebte Bariton, auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung, singt mit großer Durchschlagskraft und sehr überzeugender Dramatik.

Die Handlung wird unterstützt durch ein interessantes Bühnenbild. Zu Beginn spielt das Stück im dunklen Nirgendwo, im weiteren Verlauf ist die Handlung in ein akkurates Anzugkaufhaus in den fünfziger Jahren verlegt. Mörderische „Maßanfertigungen“ können bestellt werden. Unten kommen sie von der Stange, oben werden sie mit dem Maßband gefertigt. Die Transformation geling. Effekte, Licht und kleine Tricks sind interessant und wirkungsvoll.

Die neue Berliner Salome ermöglicht einen sehenswerten Opernabend mit tollen Sängern und einem interessanten Regiekonzept. Alain Altinoglu erzeugt mit dem sehr gut disponierten Orchester der Deutschen Oper Berlin vielseitige Klangbilder. Besonders ansprechend gelingen an diesem Abend helle Flötensoli und düstere Momente des Kontrafagotts.

Richard Strauss: Salome

Musikdrama in einem Aufzug, Musik und Libretto von Richard Strauss
nach dem Drama „Salomé“ von Oscar Wilde
Dauer: 1 Std. 45 Min. (keine Pause)
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

  • Musikalische Leitung: Alain Altinoglu
  • Regie: Claus Guth
  • Bühne und Kostüme: Muriel Gerstner
  • Choreografie: Sommer Ulrickson
  • Licht: Olaf Freese
  • Dramaturgie: Yvonne Gebauer, Curt A. Roesler

Die Sängerinnen und Sänger des von opernfan.de besuchten Premierenabends

  • Herodes: Burkhard Ulrich
  • Herodias: Jeanne-Michèle Charbonnet
  • Salome: Catherine Naglestad
  • Jochanaan: Michael Volle
  • Narraboth: Thomas Blondelle
  • Page: Annika Schlicht
  • 1. Jude: Paul Kaufmann
  • 2. Jude: Gideon Poppe
  • 3. Jude: Jörg Schörner
  • 4. Jude: Clemens Bieber
  • 5. Jude: Stephen Bronk
  • 1. Nazarener: Noel Bouley
  • 2. Nazarener: Thomas Lehman
  • 1. Soldat: Alexei Botnarciuc
  • 2. Soldat: Tobias Kehrer
  • Ein Cappadocier: Franz Xaver Schlecht
  • Sklave: Matthew Peña

Orchester und Statisterie der Deutschen Oper Berlin

Die von opernfan.de besuchte Premiere fand am Sonntag, den 24. Januar 2016 um 18 Uhr statt

Weitere Aufführungen entnehmen Sie bitte der Website der Deutschen Oper Berlin. Link zur Website:  Deutsche Oper Berlin.


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