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Es wird wieder gespielt! Die Deutsche Oper Berlin wollte mit einem Rheingold-Ersatz noch was Kleines hinbekommen. Gelungen ist aber was Großes, nämlich eine interessante und packende Aufführung mit einem Team von 22 im Orchester und 12 auf der Bühne... 

Es wird wieder gespielt! Die Deutsche Oper Berlin wollte mit einem Rheingold-Ersatz noch was Kleines hinbekommen. Gelungen ist aber was Großes, nämlich eine interessante und packende Aufführung mit einem Team von 22 im Orchester und 12 auf der Bühne... 

Ein Düsenjet kracht übers Opernhaus. Vögel zwitschern, Hubschrauberblätter brummen. Sirenen eines Krankenwagen heulen aus der Ferne in einer unsauberen Quarte. Es folgt: Das Walhall-Motiv aus Richard Wagners Oper „Das Rheingold“. Ein durch und durch ungewohnter Ohrenschmaus, denn „nur“ 22 Musikerinnen und Musiker bilden die orchestrale Grundlage eines sehr besonderen Opernabends. „Das Rheingold auf dem Parkdeck“ ist der etwas zu lange Titel einer Wagner-Bearbeitung von Jonathan Dove, die Dank einer kurzen, großen Kraftanstrengung des Teams der Deutschen Oper Berlin als „Open Opera“, sprich als Corona-sichere Veranstaltung unter freiem Himmel eine unvergessliche Premiere feierte. „Das Rheingold auf dem Parkdeck“, Stadtgeräusche inklusive.

Sogar die Genehmigung zur Aufführung war, gemessen in Opernzeiträumen, erst in letzter Minute aus England erteilt worden. Gerade mal zehn Tage vor der Premiere hatten die Rechteinhaber zugestimmt und so eine Aufführung an einem Datum ermöglicht, dass Berliner Opernfans schon seit über einem Jahr im Kalender angestrichen hatten. Am 12. Juni 2020 sollte der neue Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ in einer Inszenierung von Stefan Herheim beginnen. Über Hundert Aufführungen an der Deutschen Oper wurden seit März wegen der weltweiten Pandemie abgesagt. Premieren sind bis dato auf unbekannt verschoben, aber nach den Aussagen des Intendanten Dietmar Schwarz wollte man vor der Sommerpause noch „wenigstens was Kleines“ rausbringen. Entstanden ist aber unzweifelhaft „etwas Großes“!

Zunächst meinen wir damit Musik und Gesang des Premierenabends. Generalmusikdirektor Donald Runnicles erläuterte noch vor der Aufführung, dass das Orchester leicht „angehoben“, also ein bisschen mit Mikrofon und Lautsprechern verstärkt ist. Die Sängerinnen und Sänger sind, typisch Oper, nicht verstärkt. Im Grunde ist die Musik aber in einer Fassung als „Streichquintett mit großem Bläsersatz, Schlagwerk und Orgel“ zu hören.

Die Orchestrierung des 110-minütigen Werkes ist erstaunlicher Weise aber ausreichend, um den Charakter von Wagners intensiver Orchestermusik in vielen Facetten und manchmal auch nie gehörten Klangfarben auszudrücken. Das Orchester begleitet zwölf Sängerinnen und Sänger, die die in der Deutschen Oper Berlin schon oft bemerkte, sehr gelungene „Ensemblekunst“ zu Gehör bringen. Fast alle singenden Darstellerinnen und Darsteller sind fest im Ensemble oder dem Haus sehr eng verbunden!

So ist im Gesang und Spiel ein extrem harmonischer Gesamteindruck zu erleben. Der Klang des gestressten Wotan (lyrisch im Mezzoforte und unheimlich im Fortissimo: Derek Welton) passt perfekt zum kritischen Weibe Fricka (gelungenes „verkleinertes“ Rollendebut: Annika Schlicht in wärmsten Mezzofarben). Die beiden wechseln, perfekt aufeinander abgestimmt, zwischen betörenden lyrischen Momenten und beeindruckender Dramatik. Besonders schön mischen sich auch die Stimmen der drei Rheintöchter (Elena Tsallagova, Irene Roberts und Karis Tucker). Den zwei Riesen-Brüdern Fasolt und Fafner (Andrew Harris und Tobias Kehrer) ist auch in dieser Rheingold-Fassung ein unheimlicher Grundton zugewiesen. Dem etwas tapsigen Fasolt gönnen wir fast Mitleid, ist er doch das erste Opfer des Fluches, der dem Ring auferlegt ist und in den anderen drei Opernabenden von „Der Ring des Nibelungen“ zu weiteren Toten führen wird.

Die Tenorrollen Froh und Mime fehlen in dieser Fassung, so können die höheren Männerstimmen im kurzen „Rheingold“ besonders auftrumpfen. Alberich (Philipp Jekal, Charakterbariton mit stilvollem Ausdruck und lockerem Spazieren in tenoralen Gefilden) und Loge (als Darsteller sehr unterhaltsam und im ausdrucksstarken Gesang gewohnt geradlinig: Thomas Blondelle) reizen beide den besonderen Witz aus, der Ihnen bereits von Wagner im Spiel und im Gesang (Konsonanten-Verwendung!) zugewiesen wurde. Schließlich hat Flurina Stucki als Freia nur kurze Gelegenheiten, ihren jugendlich-dramatischen Sopran zu zeigen, aber etwas Zeit ist an dieser Stelle, damit die Gedanken nochmal an ihre wunderbaren, in Berlin bereits gehörten Interpretationen von Donna Anna und Konstanze herüberwehen können. Padraic Rowan ist als Donner ein zuverlässiger Türöffner und die Göttin Erda hat auch in dieser Inszenierung den besten Auftritt: Die unterdessen mit allergrößten Alt-Partien betraute Judit Kutasi überbringt im langen, weißen Marlene-Dietrich-Mantel den Weltschmerz der traurigen Göttin mit besonders warmen Klang.

Regisseur Neil Barry Moss hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und für die improvisierten Vorgaben des Parkdecks und des Bühnenaufbaus eine überzeugende halbszenische Fassung entwickelt. Gespielt wird auf vielen Ebenen und die Figuren von „Das Rheingold“ sind sogar abwechslungsreich rundherum platziert. Es gelingt sogar der Eindruck, dass die hässlichen zwölf Meter hohen Betonsäulen des Orchester-Daches die Vorhalle des vielbesungenen göttlichen Domizils sind. So endet das Stück mit dem Einzug der Götter nach Walhall, wobei der Gott Donner das überirdische Ehepaar Wotan und Fricka doch nur zum Durchschreiten der blechernen Kulisseneinfahrt auf einem Opern-Parkdeck geleitet.

Hinweis für Opernfans:
„Das Rheingold auf dem Parkdeck“ ist im Juni für sechs Aufführungen angesetzt. Die wenigen Karten waren innerhalb von Minuten ausverkauft. Dank des Erfolges ist aber nicht auszuschließen, dass auch die abgedeckte Bestuhlung noch benutzt werden kann. Es bleibt im Bereich des Vorstellbaren, dass die Aufführung auch nach der Sommerpause nochmals gezeigt wird.

  • Musikalische Leitung: Donald Runnicles
  • Konzept, Szenische Einrichtung, Kostüme: Neil Barry Moss
  • Bühne: Lili Avar
  • Dramaturgie: Dorothea Hartmann, Patricia Knebel

Die Sängerinnen und Sänger 

  • Wotan: Derek Welton
  • Donner: Padraic Rowan
  • Loge: Thomas Blondelle
  • Alberich: Philipp Jekal
  • Fasolt: Andrew Harris
  • Fafner: Tobias Kehrer
  • Fricka: Annika Schlicht
  • Freia: Flurina Stucki
  • Erda: Judit Kutasi
  • Woglinde: Elena Tsallagova
  • Wellgunde: Irene Roberts
  • Flosshilde: Karis Tucker

 

Bitte gehen Sie zur Website der Deutschen Oper Berlin für weitere Informationen


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