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Eindrücke der Aufführung am 9. Mai 2025...

Eindrücke der Aufführung am 9. Mai 2025...

Mit „Don Giovanni / Requiem“ beendet Kirill Serebrennikov die Inszenierungen des dreiteiligen Mozart-Da-Ponte-Zyklus an der Komischen Oper Berlin – und das mit einem ungewöhnlichen Konzept: Mozarts „Don Giovanni“ wird nicht als abgeschlossene Oper gezeigt, sondern mündet direkt in eine szenische Aufführung des „Requiem“, das Mozart kurz vor seinem Tod begonnen hatte. Der Abend wurde bei seiner Premiere am 27. April 2025 vorgestellt – die besuchte Vorstellung fand am 9. Mai statt.

Bereits die Gestaltung der Titelrolle gibt die Richtung vor: Hubert Zapiór legt seinen Don Giovanni konsequent düster an. Selbst das berühmte „Là ci darem la mano“ wirkt bei ihm nicht schmeichelnd, sondern bedrohlich – hier agiert ein Verführer, der keine Spur von Leichtigkeit mitbringt. Dieser Don Giovanni ist ein Wüstling von Anfang bis Ende.

Ein zentrales Motiv der Inszenierung ist die Erweiterung von Don Giovannis Begierde auf beide Geschlechter. Statt Donna Elvira erscheint in Berlin ein Don Elviro – gesungen von Bruno de Sá, einem der wenigen männlichen Soprane weltweit. Der Kuss zwischen Don Giovanni und Don Elviro löst auf der Bühne Erstaunen aus – insbesondere bei Leporello, pointiert gespielt und herrlich verwundert kommentiert von Tommaso Barea. Das Publikum in Berlin dagegen bleibt ungerührt: Man ist hier eben vieles gewohnt.
Tommaso Barea als Leporello ist nicht nur schauspielerisch ein Gewinn, sondern überzeugt auch gesanglich mit präzisem, vielseitigem Bass. Gemeinsam mit Hubert Zapiór bildet er ein ideales Duo – stimmlich wie darstellerisch auf Augenhöhe.

Typisch Serebrennikov: Die Personenführung ist erweitert und mit zusätzlichen Figuren angereichert. Der Schauspieler Norbert Stöß tritt als „Seele des Commendatore“ auf, spricht Texte über Leben und Tod, über das Ego und den Weg der Seele – inspiriert vom Tibetischen Totenbuch. Diese gesprochenen Passagen durchbrechen die Opernstruktur und fügen eine philosophische Ebene hinzu. Leider wirkt das benutzte Handmikrofon dabei etwas zu direkt und wenig geheimnisvoll – eine diskretere Lösung hätte die Wirkung der Szenen wohl noch verstärkt.

Adela Zaharia als Donna Anna glänzt mit vielseitigem Ausdruck und strahlend schöner Kraft. Ihre Stimme bleibt auch in schwierigen Passagen stets schön timbriert und biegsam. Besonders die Legatobögen im zweiten Teil gestaltet sie mit der Tiefe einer Figaro-Gräfin – ohne Koloraturen, aber mit langen Bögen und großer Intensität. Eine eindrucksvolle Leistung.

Penny Sofroniadou ist eine Zerlina, die wächst: Anfangs zurückhaltend, entfaltet sie im Verlauf des Abends eine durchdringende Höhe und ist besonders in den Ensembleteilen stets präsent. Die Rolle der Zerlina wird in dieser Inszenierung bewusst gestärkt und ernst genommen.

In dieser Inszenierung erhalten Leporello und Zerlina zusätzliches Gewicht durch ein selten gespieltes Duett im zweiten Akt, das zur großen Aufwertung beiträgt.

Musikalisch ist der Abend rundum gelungen. James Gaffigan dirigiert präzise und mit feinem Gespür für dramatische Zuspitzung. Chor und Orchester der Komischen Oper Berlin agieren auf höchstem Niveau – klanglich ausgewogen, rhythmisch pointiert, emotional getragen.

Gelegentliche akustische Verstärkungen in einigen Ensembleszenen, bei denen der oft geschätzte kammermusikalische Ton von Mozarts Don Giovanni vollständig verschwindet, sind wohl eher den heutigen Hörgewohnheiten des Berliner Publikums geschuldet als einer historisch informierten Klangvorstellung. Sei’s drum.

Nach Don Giovannis Höllenfahrt folgt nahtlos Mozarts Requiem. Die musikalische und szenische Verbindung wirkt stimmig und tiefgründig. Der Tod wird hier nicht als Ende, sondern als Übergang verstanden – ganz im Sinne des buddhistischen Denkens, das Serebrennikov in seine Deutung einfließen lässt. Die Aufgaben für den Chor im Don Giovanni sind eher klein, aber im Requiem zeigen die Chorsolisten der Komischen Oper schließlich ihr vielseitges Können.

Diese Berliner Inszenierung von „Don Giovanni / Requiem“ ist ein reflektiertes, künstlerisch gewagtes Statement über Schuld, Tod und Transzendenz. Sie regt zum Denken an, überrascht musikalisch wie szenisch und bleibt in Erinnerung. Ein Musiktheaterabend, der nicht nur durch seine Pracht, sondern durch seine kluge Tiefe besticht.

Don Giovanni / Requiem
Dramma giocoso in zwei Akten (1787)
Libretto von Lorenzo Da Ponte

Requiem in d-Moll (Introitus, Kyrie, Sequenz)
In der von Franz Xaver Süßmayr fertiggestellten Instrumentation

Premiere: 27. April 2025
Besuchte Vorstellung: 9. Mai 2025

Dauer: ca. 3 Stunden und 45 Minuten inklusive einer Pause

Das Team dieser Inszenierung

Musikalische Leitung: James Gaffigan
Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme: Kirill Serebrennikov
Co-Bühnenbildnerin: Olga Pavlyuk
Co-Kostümbildnerin: Tatiana Dolmatovskaya
Co-Choreografie: Ivan Estegneev
Choreografie: Evgeny Kulagin
Dramaturgie: Sophie Jira, Daniil Orlov
Chöre: David Cavelius
Licht: Olaf Freese, Johannes Scherfling
Video: Ilya Shagalov

Gehörte Besetzung

  • Don Giovanni: Hubert Zapiór
  • Leporello: Tommaso Barea
  • Donna Anna: Adela Zaharia
  • Don Ottavio: Agustín Gómez
  • Don Elviro: Bruno de Sá
  • Zerlina: Penny Sofroniadou
  • Masetto: Philipp Meierhöfer
  • Commendatore: Tijl Faveyts
  • Die junge Frau (Alt): Virginie Verrez
  • Die Seele des Commendatore: Norbert Stöß
  • Donna Barbara: Varvara Shmykova
  • Die alte Frau: Susanne Bredehöft
  • Die Seele Don Giovannis: Fernando Suels Mendoza
  • Geister und Gedankenformen: Georgy Kudrenko, Mikhail Poliakov, Nikita Elenev

Chor: Chorsolisten der Komischen Oper Berlin
Komparserie: Komparserie
Orchester: Orchester der Komischen Oper Berlin

 

 


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