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Lady Macbeth von Mzensk mordet zweifach auf offener Bühne
Zwei Morde auf offener Bühne plus ein Selbstmord, bei dem eine weitere Person in den Tod gerissen wird! Dmitri Schostakowitsch, dessen Lady Macbeth von Msenzk in den späten zwanziger Jahren eines der meistgespielten Musikstücke war, entschied sich für den hochdramatischen Stoff einer russischen Novelle, um sein musikalisches Talent im Erfinden neuer Klänge und großartiger Harmonien unter Beweis zu stellen.
Zwei Morde auf offener Bühne plus ein Selbstmord, bei dem eine weitere Person in den Tod gerissen wird! Dmitri Schostakowitsch, dessen Lady Macbeth von Msenzk in den späten zwanziger Jahren eines der meistgespielten Musikstücke war, entschied sich für den hochdramatischen Stoff einer russischen Novelle, um sein musikalisches Talent im Erfinden neuer Klänge und großartiger Harmonien unter Beweis zu stellen.
So steht das Orchester unter Leitung des Generalmusikdirektors Donald Runnicles an diesem Premierenabend der Oper Lady Macbeth von Mzensk über weite Strecken im Mittelpunkt. Komplexe Dissonanzen, unendlich viele Tempowechsel und große Bläsersätze bringen zu Gehör, was auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin zu sehen ist. Es gäbe Dutzende beeindruckende Passagen aus dem Graben hervorzuheben, aber dafür fehlt hier der Platz. Besonders markant bleiben aber die vielen Soli des Fagotts, die langen Phrasen der Soloklarinette und die virtuosen Stellen des Xylofons in Erinnerung. Bei den Streichern fiel zum Beispiel das dunkle Gegrummel als Begleitung von Katarinas letztem großen Monolog im dritten Akt besonders positiv auf. Schostakowitschs Erfindungsreichtum setzt Maßstäbe, die bis in die heutige Gestaltung von Filmmusik hineinragen.
Die Geschichte der Titelheldin Katerina Ismailowa ist schnell erzählt. Als junge Frau vom Lande heiratet sie unfreiwillig und zieht in eine Stadt, in der sie niemanden kennt. Auf Langeweile folgt Melancholie, daraus wird Schwermut. Ihr Schwiegervater bedrängt sie und nur ein ansehnlicher Liebhaber tut ihr Gutes. Im ersten Akt vergiftet Katerina den Vater ihres Mannes Sinowij, im zweiten Akt ermordet sie den Gatten, um im dritten Akt den Liebhaber Sergej zu heiraten. Am Tag des Hochzeitsfestes kommt es zur Entdeckung der zweiten Leiche, worauf der vierte Akt in der sibirischen Verbannung spielt. Katerina friert und ist im Lager der Erschöpfung nahe, während Sergej sein Liebesglück bei der Mitgefangenen Sonjetka sucht. Nach einem Streit tötet sich die verzweifelte Titelheldin durch einen Brückensprung und reißt die Nebenbuhlerin mit sich in die Tiefe und den Tod.
Bildergalerie "Lady Macbeth", vier Fotos, alle Fotos von Marcus Lieberenz im Auftrag der Deutschen Oper Berlin
Die Inszenierung des Norwegers Ole Anders Tandberg, in seiner Heimat ist er ein sehr bekannter Regisseur, zeigt auf der Bühne, was in der Musik zu hören ist. Er nähert sich dem Werk mit großem Respekt und beachtenswerter Zuneigung: „Es ist eine norwegisch-russische Fantasie“, erläuterte Tandberg vor der Premiere in einem Werkstattgespräch: „Das Bestialische und das Groteske haben mich am meisten interessiert“!
Er führt das Ensemble der Sängerdarsteller zu einer dichten, überzeugenden Darstellung: Evelyn Herlitzius in der Titelpartie transportiert die Angst und Verzweiflung der Katerina mit jeder Geste. Sir John Tomlinson als ihr Peiniger Boris Ismailow gibt den stinkenden Kontrollfreak, dessen lüsternes Gebaren alle einschüchtert. Der Sinowij von Thomas Blondelle ist ein erfolgloser Möchtegern, ihm gegenüber steht ein attraktiver und agiler Sergej, den Maxim Aksenov mit jugendlichem Charme verkörpert.
Das Regieteam unterstützt jede Note dieser genialen Komposition. So ist im Graben zu hören, was auf der Bühne zu sehen ist, aber gleichzeitig erläutert und unterstreicht die Szene, was im Orchester erklingt. Es ist ein Geben und Nehmen zwischen unten und oben, was als besonders hör- und sehfreundlich empfunden wird!
Als Randnotiz sei bemerkt, dass die Mutter des Komponisten Pianistin im Stummfilmkino war. Nach anderen Quellen war Schostakowitsch als junger Mann zeitweise selbst ein Tastenvirtuose des stillen Zelluloids. Leicht zu hören, dass der berühmte russische Komponist vielleicht aus dieser Erfahrung heraus ein Meister des Ritardandos und Accelerandos wurde. Weil beim Stummfilm das Bild einfach weiterläuft, muss sich die Musik dem Bild anpassen. Die Inszenierung von Ole Anders Tandberg harmoniert mit der Musik, genau wie es Stummfilm und Klavierbegleitung tun müssen…
Das Stück spielt auf einem dunklen Hügel, der zunächst eine Fischfabrik, dann das Wohnhaus und schließlich den Wachpunkt der sibirischen Aufpasser aufnimmt. Eine abwechslungsreiche, nicht ganz pannenfrei funktionierende Lichtregie taucht die Szene in gruselige Kontraste, unheimliches Gegenlicht oder in die gleißenden Sonnenschein. Das Spiel mit großen Fischen ist ein zentraler Einfall des Regieteams! Glitschige überdimensionale Hechte sind Wurfgeschosse bei einer Art Kissenschlacht, die Katerina anzettelt, Mordwerkzeuge beim Tod von Sinowij und schließlich übertrieben häufig gezeigte Phallussymbole.
Großartige Sänger gestalten einen großen Opernabend! Evelyn Herlitzius als Lady Macbeth ist im dramatischen Ausdruck überragend und bleibt trotz verübter Morde in jeder Note wohlklingend. Sir John Tomlinson als Schwiegervater Boris ist ein spielfreudiger, gruseliger Bass, der gerne leiden lässt. Thomas Blondelle hat wenig Chancen, seine gewohnt gewissenhafte Gestaltung unter Beweis zu stellen, denn die anderen Charaktere ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich. In der Mitte einer schönen Karriere, die bereits Don José, Alfredo und an der Deutschen Oper auch Turiddu hervorbrachte, fällt Maxim Aksenov zunächst mit Lampenfieber, dann als jugendlicher Held recht ansprechend auf. Der Chor der Deutschen Oper Berlin läuft zu Höchstform auf. Er bringt diese sehr lange und schwierige Chorpartie mit großer Sicherheit über die Bühne.
Tosender Applaus des Premierenpublikums erfreute die Mitwirkenden und brachte Evelyn Herlitzius herzlichst zum Lachen!
Dmitrij Schostakowitsch (1906 - 1975)
Lady Macbeth von Mzensk
Originaltitel: Ledi Makbet Mzenskowo ujesda
Oper in vier Akten
Libretto von Alexander Preis nach der gleichnamigen Novelle von Nikolai Leskow
Uraufführung am 22. Januar 1934 im Maly Theater in St. Petersburg (damals Leningrad)
Premiere an Den Norske Opera & Ballett in Oslo am 5. September 2014
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 25. Januar 2015, anschließend noch vier Aufführungen in der Spielzeit 2014/2015
Auf Russisch mit deutschen und englischen Übertiteln
Von opernfan.de besuchte Aufführung: Premiere am 25. Januar 2015
Leitung der Aufführungen
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Ole Anders Tandberg
Bühne: Erlend Birkeland
Kostüme: Maria Geber
Licht: Ellen Ruge
Chöre: William Spaulding
Choreografie: Jeanette Langert
Dramaturgie: Jörg Königsdorf
Besetzung
- Boris Timofejewitsch Ismailow: Sir John Tomlinson
- Sinowij Borissowitsch Ismailow: Thomas Blondelle
- Katerina Ismailowa: Evelyn Herlitzius
- Sergej: Maxim Aksenov
- Aksinja / Zwangsarbeiterin: Nadine Secunde
- Der Schäbige: Burkhard Ulrich
- Verwalter / Polizist: Andrew Harris
- Hausknecht / Wächter / Sergeant: Noel Bouley
- Vorarbeiter: Ralph Eschrig, Olli Rantaseppä: Aram Youn
- Mühlenarbeiter: Thomas Lehman
- Kutscher / Lehrer: Matthew Peña
- Pope: Tobias Kehrer
- Polizeichef: Seth Carico
- Sonjetka: Dana Beth Miller
- Alter Zwangsarbeiter: Stephen Bronk
- Geist des Boris Timofejewitsch: Sir John Tomlinson
Chöre Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester Orchester der Deutschen Oper Berlin
Weitere Hinweise
Wir verlinken hier auf einen interessanten Mitschnitt auf Youtube zu einer anderen Inszenierung der "Lady" aus Amsterdam. Mit sehr guter Besetzung und sehr gutem Bild, einfach sehenswert (LINK öffnet auch in einem neuen BROWSERFENSTER)