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Intendant Jürgen Flimm bringt an der Staatsoper "Le nozze di Figaro" von Mozart neu heraus

Intendant Jürgen Flimm bringt an der Staatsoper "Le nozze di Figaro" von Mozart neu heraus

Mozartopern mit der Staatskapelle Berlin machen süchtig. Der warme, runde Orchesterklang passt genau zum mittelgroßen, holzverkleideten Schillertheater. Am Premierenabend liefern besonders Holzbläser, Querflöten und Fagotte bei jeder der zahlreichen Gelegenheiten allerschönste Bögen und interessante Phrasierungen. Wohlig abgestimmte Streicher begleiten unaufdringlich, aber pointiert. Gustavo Dudamel leitet Le nozze di Figaro zuverlässig und erfindet interessante dynamische Kontraste.

Figaro sagt im dritten Akt zu Gräfin, Graf und Susanna: „Auf Eure Plätze, ihr Schönen, auf Eure Plätze!“ Regisseur Jürgen Flimm nimmt sich diese Zeile zu Herzen und verlegt die Handlung in ein herrschaftliches Sommerhaus auf der Düne am Meer. Die Inszenierung spielt in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts. In Deutschland sind das die unbeschwerten Anfangsjahre der Weimarer Republik, in Amerika ist es die Zeit des Großen Gatsbys. Langarmhandschuhe für die Damen, zweifarbige Spectator-Schuhe für die Herren. Charleston war der Tanz des Jahrzehnts und tatsächlich lassen sich Beine aus mittellangen Röcken und weite Anzughosen auch zu Mozarts Musik verbiegen! Flimm lässt nichts aus, um die Inszenierung zeitlich sehr genau zu positionieren

Ildebrando D'Arcangelo (Graf Almaviva) © CMB
Dorothea Röschmann (Gräfin Almaviva) © HCB
Anna Prohaska (Susanna) und Dorothea Röschmann (Gräfin Almaviva) © CMB
Sónia Grané (Barbarina), Olaf Bär (Antonio), Dorothea Röschmann (Gräfin Almaviva), Anna Prohaska (Susanna) und Marianne Crebassa (Cherubino) © CMB
Anna Prohaska (Susanna) und Ildebrando D'Arcangelo (Graf Almaviva) © CMB
Marianne Crebassa (Cherubino) © CMB
Ensemble © CMB
Dorothea Röschmann (Gräfin Almaviva), Anna Prohaska (Susanna), Katharina Kammerloher (Marcellina), Lauri Vasar (Figaro) © HCB
Anna Prohaska (Susanna) © HCB
Lauri Vasar (Figaro) © HCB
Lauri Vasar (Figaro) und Anna Prohaska (Susanna) © HCB
Dorothea Röschmann (Gräfin Almaviva), Marianne Crebassa (Cherubino), Anna Prohaska (Susanna) © HCB

Bildergalerie zu Le nozze di Figaro in der Berliner Staatsoper unter den Linden

Stets ist die Szene hübsch anzusehen (Bühnenbild: Magdalena Gut) und maßgenaue Kostüme unterstreichen den sommerlichen Charakter des Gesamtkonzepts (Kostüme: Ursula Kudrna). Ildebrando D’Arcangelo muss bei den Proben sehr umgänglich sein! Während seiner großen Arie im dritten Akt, musikalische Visitenkarte jedes Almaviva-Sängers, tritt er mit Bademantel, Ringelshirt, Lederschuhen und Sonnenbrille auf. Das hätte nicht jeder Bariton-Star der letzten Jahrzehnte mitgemacht. „Das würde ich nicht anziehen“ kam sogar mir als (nach eigener Selbsteinschätzung) tolerantem Zuhörer in den Sinn… Graf Almaviva ist der „The Great Gatsby“. Flimm’s Provinzgröße könnte sein Geld erfolgreich an der Börse eingenommen haben!

Dennoch: Niemand in dieser Inszenierung arbeitet! Selbst Barbarina ist auf dem Weg zur nächsten Bar und hat viele Freundinnen unter den Choristinnen. Auch hier ist jedes Kostüm ein Hingucker. Das bisschen Ausmessen des neuen Zimmers ginge dem Diener Figaro sogar leicht von der Hand, wäre da nicht der absurde Regieeinfall, die Inszenierung mit abgenutzten Slapstick-Ideen aufzufrischen. Figaros auszumessendes Bett fällt gleich in den ersten Takten der Oper auseinander und der Graf windet sich mehrmals im tückisch gebauten Liegestuhl. Hier ein Stolperer, da noch einer und sagten wir schon, dass auch gestolpert wird? Das Premierenpublikum ist eher konzentriert als belustigt, aber kaum wurde an den Slapstick-Stellen gelacht.

Die Hauptfiguren kommen aus dem Zuschauerraum und verlassen ihn wieder in diese Richtung. Ein Steg vor dem Orchester wird bereits während der Ouvertüre und schließlich im Finale des vierten Aktes bespielt. Das ist klanglich und darstellerisch wirkungsvoll. Regelmäßig rücken die Solisten den Zuschauern auf die Pelle und werden durch das exponierte Spiel vor dem Orchestergraben ein Teil der anwesenden Gesellschaft. So betont die Szenen vorne auf dem Steg stets einen wesentlichen Erfolgspunkt der witzigen Mozartoper: Figaro und Susanna, Graf und Barbarina sind Mitglieder und Spiegelbilder der jeweils anwesenden Gesellschaft. Die Figuren sind immer Menschen ihrer Zeit.
Le nozze die Figaro hatte seine Uraufführung im Mai 1786 in Wien. Die meisten Opern vorher hatten ausschließlich ein adliges, heroisches oder historisches Personal. Mozarts Absicht, Leistungsträger der Gesellschaft und Normalos mit aufrichtigen Gefühlen zu bestücken, wird in dieser Inszenierung besonders herausgestellt. Graf und Gräfin Almaviva profitieren zwar von einem überdurchschnittlichen Einkommen, sind auf der Gefühlsebene aber Menschen wie Du und ich. Oben und unten, reich und arm? Die Unterschiede existieren nicht mehr, im sonnigen Licht der Flimm-Inszenierung sind alle gesellschaftlichen Gegensätze aufgehoben.

Mitteleuropäisch erfolgreiches Mozartensemble

Die Sänger der besuchten Premiere bilden fast schon ein mitteleuropäisch erfolgreiches Mozartensemble. Ildebrando D’Arcangelo als Graf Almaviva steht mit sprachlichem Witz, leichtem Spiel und großer Strahlkraft in seinem künstlerischen Zenit. Dorothea Röschmann meistert alle Fallstricke der besonders schweren Arien mit genau dosierten dynamischen Abstufungen und echten Gefühlen. Die beliebte Anna Prohaska könnte manchmal etwas strahlender daherkommen, gestaltet die eigentliche Hauptfigur Susanna aber musikalisch raffiniert und mit jugendlichem Charme. Lauri Vasar als Figaro setzt dramatische Akzente, die gefallen. Marianne Crebassa, als Cherubino in dieser Spielzeit auch für die Wiener Staatsoper und für Mailand gebucht, hat lyrischen Charme und die nach allen Konventionen fast schon geforderte „extrem schöne Stimme“. Cherubino ist einfach eine dankbare Rolle.

„Le nozze di Figaro“ an der Berliner Staatsoper wird in dieser Inszenierung über Jahre erfolgreich sein. Schon am Premierenabend fiel der Applaus warmherzig und begeistert aus. So wird es noch viele Spielzeiten sein, denn wir haben es hier mit einer glänzenden Inszenierung in freundlichem Ambiente zu tun, die den durchschnittlichen Geschmack von Opernbesuchern trifft.

Für opernfan.de reingehört und hier beschrieben von Alexander Hildebrand. 

Le nozze di Figaro

  • Musikalische Leitung: Gustavo Dudamel
  • Inszenierung: Jürgen Flimm
  • Bühnenbild: Magdalena Gut
  • Kostüme: Ursula Kudrna
  • Licht: Olaf Freese
  • Dramaturgie: Detlef Giese

Die Sängerinnen und Sänger des Premierenabends

  • Graf Almaviva: Ildebrando D’Arcangelo
  • Gräfin Almaviva: Dorothea Röschmann
  • Susanna: Anna Prohaska
  • Figaro: Lauri Vasar
  • Cherubino: Marianne Crebassa
  • Marcellina: Katharina Kammerloher
  • Basilio: Florian Hoffmann
  • Don Curzio: Peter Maus
  • Bartolo: Otto Katzameier
  • Antonio: Olaf Bär
  • Barbarina: Sónia Grané


Orchester: Staatskapelle Berlin 
Von opernfan.de besuchte Premiere:
Samstag, 6. November 2015, 18:00 Uhr. 

Hinweis: Die hier beschriebene Inszenierung wird in der Berliner Staatsoper nicht mehr gezeigt. Sie wird durch eine neue Inszenierung ersetzt. 

Link zur Website der Staatsoper unter den Linden

Die Theaterkasse der Staatsoper hat die Berliner Telefonnummer (030) - 20 34 45 55. 

Wenn Sie diese Website auf einem Mobiltelefon lesen, können Sie einfach hier klicken, um anzurufen: +493020354555


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