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Die Oper über die Liebe zwischen dem Prinzen Pelléas und der weltverlorenen Mélisande feierte an der Komischen Oper Premiere. Opernfan.de war in der zweiten Aufführung mit dabei und hier sind ein Bericht und viele exklusive Fotos...

Die Oper über die Liebe zwischen dem Prinzen Pelléas und der weltverlorenen Mélisande feierte an der Komischen Oper Premiere. Opernfan.de war in der zweiten Aufführung mit dabei und hier sind ein Bericht und viele exklusive Fotos...

Die Jubiläumsspielzeit zum 70. Geburtstag der Komischen Oper Berlin hat durch eine Inszenierung des Intendanten Barrie Kosky einen weiteren Akzent erhalten. Tatsächlich ist das Team des Hauses ein Risiko eingegangen, denn unter der musikalischen Leitung des frisch gekürten Kapellmeisters Jordan de Souza steht nicht ein garantiertes Erfolgsstück auf dem Programm, sondern sogar eine Erstaufführung an der Komischen Oper: Pelléas et Mélisande von Claude Debussy, eine Art „Anti-Oper“ (O-Ton de Souza). Das Werk basiert auf einem Text des Nobelpreisträgers Maurice Maeterlinck und ist eine tragische Dreiecksgeschichte zwischen den beiden Titelfiguren und Pelléas Bruder Golaud. Golaud ist mit der weltverlorenen, verträumten Mélisande vermählt, sie findet aber gerade Gefallen am jungen Prinzen Pelléas.

Opernfans, die einprägsame Melodien, gar abgegrenzte Arien oder gar Rezitative erwarten, müssen sich für eine Aufführung von Pelléas et Mélisande komplett umstellen. Alles, was zum Genre gehört, ist weg. Im sehr lesenswerten Interview mit dem Leitungsteam im Programmheft erklärt der Dirigent: „Es gibt keine großen Arien, keine Terzette, in denen man Schwelgen kann. Debussy streifte die Ketten der Opernkonvention ab und schuf spontan eine neue musikalische Form, indem er Maeterlincks außergewöhnliches Drama in kosmische Rätselhaftigkeit hüllte“. Und de Souza entlockt dem Orchester der Komischen Oper genau diese mystische Klangwelt: Präzise agierende Blechbläser sind ebenso zu hören wie gefühlvoll phrasierende Holzbläser. De Souza gelingt es ferner, den Streichern das gespenstische und dunkle, geheimnisvolle Klangbild der Fin de siècle-Oper zu entlocken.

Ein Klick aufs Bild oder hier auf diesen Text führt zur umfangreichen, exklusiven Bildergalerie zu Palléas und Mélisande in der Komischen Oper. 

Einige Harmonien weisen auf spätere Entwicklungen im Jazz hin und viele Elemente der entworfenen dunklen Klangbilder sind bis heute als Filmmusik Konvention. Debussy wechselt dabei stets rasch den Stil und die Ausdrucksformen. Die Musik ist harmonisch verwirrend, denn sie folgt selten Konventionen. Und Debussys Schwermut und Anstrengung beim Komponieren, er brauchte immerhin neun Jahre für diese Oper, sind auch noch irgendwie zu hören.

Die Bühne von Klaus Grünberg ist ein stark modifizierter Guckkasten mit einer mehrteiligen Drehscheibe. So kann die Inszenierung ganz auf Treppen, Türen, Wasser und Bäume und Möbel verzichten, denn die Darsteller werden alle von den Seiten „hinein- und herausgefahren“. So entsteht eine wirklich innovative Inszenierung, die nach einigen übervollen und satten Werken von Barrie Kosky etwas überrascht. Gerade während der langsamen Drehungen der Bühne mit den Darstellern scheint die Handlung still zu stehen und das Zeitmaß der Oper ist für Momente nur im Takt der außergewöhnlichen Musik zu finden.

Ohne Sänger, die auch Schauspieler sind, lassen sich solche neuartigen Inszenierungen nun gar nicht realisieren. Ensemblemitglied Nadja Mchantaf als Mélisande spielt die Freude am Leben und die Verzweiflung über die tödlichen Bedrohungen mit großer Hingabe. Dabei gelingen ihr die stillen, geheimnisvollen Momente genauso gut wie die schonungslos vorgetragenen ängstlichen und lauten Passagen.

Auch Publikumsliebling Günter Papendell stellt erneut seine vielfältigen Möglichkeiten der Charakterdarstellung heraus. Er ist ein fieser Halbbruder der männlichen Titelfigur, ein aufdringlich Liebender, aber gleichzeitig ein ausdrucksstarker, nie um ein schönes Piano verlegener Bariton. Die höllisch hoch liegende Partie des Pelléas nimmt in der besuchten Aufführung der britische Gastsolist Jonathan McGovern auf sich. Der Sänger präsentiert sich in seinem Berliner Operndebut mit jungenhaftem Charme, lyrischer Zurückhaltung und überzeugender Verliebtheit. Es sei noch angemerkt, dass in der Premierenbesetzung Dominik Köninger als Pelléas zu hören ist (er ist in dieser Rolle auch auf den Fotos zu sehen). Damit stehen bei einigen Aufführungen dieser Oper sogar die beiden Bariton-Stars des Opernensembles gemeinsam auf der Bühne.

Dem Ensemble dieser sehenswerten Aufführung gelingt damit die von Barrie Kosky geforderte musikalische Gestaltung: „Das Geheimnis besteht darin, dass die Sängerinnen und Sänger nie in der Musik versinken dürfen. (…) Sie müssen über die Oberfläche surfen, selbst in Momenten großer Schönheit“. Der Bühnenbau mit der Drehscheibe und der das Meer und die Natur abbildende Klang aus dem Orchestergraben bietet den überzeugenden Künstlern dafür die allerbesten Bedingungen.

Pelléas et Mélisande
Drame lyrique in fünf Akten [1902] von Claude Debussy
Dichtung von Maurice Maeterlinck
Koproduktion mit dem Nationaltheater Mannheim

  • Musikalische Leitung: Jordan de Souza
  • Inszenierung: Barrie Kosky
  • Bühnenbild / Licht: Klaus Grünberg
  • Co-Bühnenbildnerin: Anne Kuhn
  • Kostüme: Dinah Ehm
  • Dramaturgie: Johanna Wall

Besetzung der von opernfan.de besuchten 2. Aufführung

Arkel, König von Allemonde: Jens Larsen
Geneviève, Mutter Von Pelléas Und Golaud: Nadine Weissmann
Pelléas: Jonathan McGovern
Golaud: Günter Papendell
Mélisande: Nadja Mchantaf
Der kleine Yniold, Golauds Sohn aus erster Ehe:
David Wittich, Solist des Tölzer Knabenchores
Ein Arzt/Die Stimme des Hirten: Samuli Taskinen

Samstag, 21. Oktober 2017, 19,30 Uhr 
Weitere Termine in der Spielzeit 2017/2018

Kartentelefon: 030 / 47 99 74 00

Karteninfos: Hier entlang  zur Website der Komischen Oper Berlin.

Die Berichterstattung über die Aufführung auf der Website opernfan.de wurde vom Opernhaus unterstützt. Dafür sagen wir herzlichen Dank! 


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