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Robert Carsen inszeniert in New York einen großartigen „Falstaff“ im 50er-Jahre-Look
Neben La Traviata, Tosca, Nubucco und Co. soll in New York mit dem Falstaff aus 2013 herzhaft gelacht werden! Für Opernfan.de hat sich Moritz Kühn die Inszenierung von Robert Carsen angesehen!
Neben La Traviata, Tosca, Nubucco und Co. soll in New York mit dem Falstaff aus 2013 herzhaft gelacht werden! Für Opernfan.de hat sich Moritz Kühn die Inszenierung von Robert Carsen angesehen!
„Tutto nel mondo é burla, l’uom é natto burlone..“ – „Die ganze Welt ist ein Spaß, der Mensch zum Spaß geboren“. Mit diesen Worten beginnt die berühmte Fuge zum Finale der letzten Verdi-Oper „Falstaff“ und diese Worte beschreiben auch treffend die Inszenierung der Metropolitan Opera New York aus dem Jahre 2013.
Nach der Vorlage von Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ geht es in Falstaff um Verführung, Täuschung und Rache. Alles – und das schon zu Verdis Zeit – mit konsumkritischen und emanzipatorischen Vorzeichen.
In seiner Inszenierung an der MET gelingt es Robert Carsen, genau diese Vielschichtigkeit des Werkes zu treffen und in die Zeit der 1950er Jahre zu übertragen. In ebendiese Zeit vom großen wirtschaftlichen Aufschwung der westlichen Welt versetzt, wirkt die Handlung sehr authentisch: Der Konsum des Falstaff, das oberflächliche Denken der Damen, die Generationenfrage von Nanetta und Fenton - alles zusammen könnten Szenen aus dem Alltag der 50er Jahre sein, obwohl die Oper 1893 ihre Premiere feierte.
Was die Platzierung der einzelnen Bilder geht, so wird dem Opernkenner sofort auffallen, dass sich die Regie nicht an die ursprünglichen Anweisungen gehalten hat: Statt in der Taverne lässt Robert Carsen die Geschichte in einem großzügigen Hotelzimmer beginnen, in dem sich Sir Falstaff mit seinen Gehilfen Bardolfo und Pistola massenweise kulinarische Köstlichkeiten servieren lies. Hotelrestaurant und Hotellobby dienen als Kulissen für das zweite und das dritte Bild. Brillante Einfälle, die durch eine positiv detailverliebte und gänzlich beeindruckende Arbeit von Bühnenbildnern und Requisiteuren zur Perfektion umgesetzt wurden. Wie von der MET eigentlich immer zu erwarten, kann sich der Zuschauer auch hier kaum an den vielen Elementen und liebevoll ausgestalteten Finessen satt sehen. Ebenfalls intelligent gelöst wurde die lange Monologszene Falstaffs nach der Pause, die in vielen Produktionen nicht nur lange sondern auch lang-weilig wird. Robert Carsen dagegen stellt seinem Falstaff ein fressendes Pferd zur Seite, dem der gekränkte Mann seine Beschimpfungen über die moralisch verkommene Welt an den Kopf werfen darf. Tragisch und urkomisch zugleich! Schließlich überzeugt auch das letzte Bild im Park von Windsor, durch kluge Lichttechnik abstrakt-elegant dargestellt. So viel zu den optischen Eindrücken, doch auch dem Geschehen auf der Bühne hat sich Carsen mit ausgeprägtem Feingefühl gewidmet. Durch perfektes Timing, individuelle Gestik und eindrucksvolle Mimik werden die Charaktere bis zur letzten Nebenrolle ausführlich gestaltet. Von Großvaters Stehoper ist bei Carsen nichts zu sehen. Stattdessen darf sich der Zuschauer auf eine kurzweilige und spritzige Komödie freuen.
Ambrosio Maestri (Bassbariton), der zum Zeitpunkt der Aufnahme schon über 200 Falstaff-Inszenierungen absolivert hat, begeistert das Publikum in der MET durch seinen warmen, klaren und differenzierten Gesang. Sein testostesron-gesteuerter Falstaff sorgt für viele Lacher und unterhält auf höchstem Niveau. Angela Meade (Sopran) in der Rolle der Alice Ford sowie Jennifer Johnson Cano (Sopran) als Meg Page begeistern beide mit silbrig-strahlendem Timbre und großer Leichtigkeit in der Höhe. Optischen wie akustischen Kontrast zu den Sopranistinnen liefert Stephanie Blythe (Mezzosopran) als Mistress Quickly, die in gewaltiger Alto-Manier ihre tiefen und melodramatischen Partien zum Besten gibt. Franco Vasallo (Bass) stellt mit maskulinem und kräftigem Gesang einen rachsüchtigen Ford dar. Paolo Fanale (Tenor) und Lisette Oropesa (Sopran) bilden in ihren Rollen als Fenton und Nanetta das berührende Liebes-Traumpaar des Abends. Carsens Falstaff wird für Fanale zu einer beeindruckenden Visitenkarte für zukünftige Hauptrollen. Oropesa sorgt mit jugendlichem Gesang und großer Spielfreude für eine im wahrsten Sinne merk-würdige Interpretation der Nanetta. Carlo Bosi (Tenor) singt und spielt seinen Dr. Cajus wunderbar spießig. Keith Jameson (Tenor) als Bardolfo und Christian van Horn (Bass) als Pistola bilden das zweite – diesmal komödiantische – Traumpaar des Abends und mimen das enttäuschte und abtrünnige Gehilfenduo.
James Levine zeichnet mit feinem Pinsel eine bunte Klanglandschaft, die Text und Handlung auf der Bühne unterstützt. Sein Dirigat vor dem Metropolitan Opera Orchestra glänzt mit knalligen Klangfarben und vitaler Energie. Dabei ist ihm das bestens aufgelegte Metropolitan Opera Orchestra ein fabelhaft eingestimmtes Instrument. Verdi hätte seinen Spaß gehabt!
Giuseppe Verdi
Falstaff (DVD)
Musikalischer Leiter: James Levine, mit: Ambrosio Maestri, Jennifer Johnson Cano, Angela Meade, Franco Vasallo, Paolo Fanale, Lisette Oropesa, Carlo Bosi, Keith Jameson, Christian van Horn, Stepahnie Blythe
Orchester: Metropolitan Opera Orchestra
Regie: Robert Carsen
Dauer: 127 Minuten (15 Min Bonusteil)
Erschienen: 2. Oktober 2015
SUB: E, FR, ESP, DE, CH
© DECCA Music Group
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Verdi: Falstaff mit James Levine und Robert Carsen aus der MET New York